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Lauschangriff - Im Visier der Feinde

Lauschangriff - Im Visier der Feinde

Titel: Lauschangriff - Im Visier der Feinde
Autoren: Patrick Robinson
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Lanze stellt und jene mit Demütigung und Verachtung straft, die meinen Anordnungen zuwiderhandeln.«
    Yousaf und Ibrahim verstanden diese Worte. Es handelte sich nicht um einen zeitweiligen, sondern um den lebenslangen Befehl, Krieg gegen die Ungläubigen zu führen. Man konnte sie im Gefängnis in Fesseln legen, aber man konnte ihnen nicht Allahs Befehle nehmen, die ihnen durch seinen Diener Osama überbracht worden waren: »Wir werden Rache nehmen für die amerikanischen Kriege in der muslimischen Welt. Wir werden sie angreifen, sie willkürlich überfallen, erst in Europa und dann in Amerika. Wir haben geblutet, jetzt werden sie bluten. Sagt nicht, dass jene, die im Namen Allahs in der Schlacht gefallen sind, tot seien. Denn sie werden nie sterben. Sie sind am Leben, auch wenn ihr ihrer nicht gewahr seid. Noch einmal flehe ich euch an, im Namen Allahs, kämpft gegen die Ungläubigen!«
    Aller Einfluss der Universitäten London und Harvard hatte es nicht vermocht, Yousaf und Ibrahim von diesen Wahrheiten abzubringen. Man musste sie nicht auf Pergament verewigen. Sie waren in ihren Herzen eingebrannt. Dennoch hatten beide diese Worte in Arabisch auf die erste leere Seite der Koranausgabe geschrieben, die sie von den Amerikanern bekommen hatten.
    Yousaf hatte dazu noch den arabischen Satz hinzugefügt: »Was wisst ihr schon von unserem Leid?« Mittlerweile wusste er nicht mehr, warum und wann er es geschrieben hatte, so abgestumpft war er nach den langen Jahren der Entbehrungen. Er wusste nicht, welches Jahr man schrieb, welchen Monat, welchen Tag. Aber dieser Satz stach heraus aus den heiligen Seiten des Korans, oft starrte er darauf und sah in seinem eigenen Leid auch das seines Volkes. In diesen stillen Phasen schwor er dem großen Satan Rache, obwohl er wusste, dass er diesen Ort niemals verlassen würde.
    Seine Träume wurden manchmal erhellt von der Vision des großen Osama, wie er mit gezücktem Schwert auf einem Kamel an der Spitze einer Dschihad-Armee die heiße, staubige Küste entlangdonnerte, um alle Amerikaner fortzujagen; in diesen Augenblicken sah er sich wieder dort, wohin er gehörte, im niemals endenden Dienst Allahs.
    Es gab im Lager nur wenige wie Yousaf, Männer, für die der Traum niemals starb, Männer, die im Westen kaum verstanden wurden. Viele in den USA waren der Ansicht, dass so gut wie alle des Krieges gegen den Terrorismus überdrüssig seien; dass das amerikanische Volk sich nichts sehnlicher wünschte, als dass es vorbei wäre und der Feind ebenso dachte. Doch das war nicht der Fall. Man hatte dort eine andere Zeitvorstellung. Jenseits des Stacheldrahts von Guantanamo gab es Tausende, deren Überzeugungen denen von Yousaf glichen. Männer, in denen es gärte, in denen Enttäuschung, Wut und Leidenschaft überkochten.
    In Guantanamo äußerten sich diese Gedanken manchmal in trotzigem Gemurmel, dem Kauderwelsch der seit langen Jahren Eingesperrten, die leise mit sich selbst redeten, mit den Personen, die sie einst gewesen waren, was auf Außenstehende den Eindruck allmählich über sie kommenden Wahnsinns erzeugte.
    Diese spärlichen Anzeichen fortgesetzter Auflehnung zwangen das Wachpersonal zu höchster Wachsamkeit. Gelegentlich wurde arabisch sprechendes Personal eingeschleust, um die Stimmung unter den Gefangenen auszuhorchen. Was sie zu hören bekamen, waren die unterdrückten Dschihad-Parolen, die die härtesten Insassen des Lagers von sich gaben. »Wir werden weder verhandeln noch ruhen noch werden wir das Schwert ablegen, bis jeder Ungläubige auf dem Angesicht der Erde entweder zum rechten Glauben bekehrt ist oder tot zu unseren Füßen liegt. Allah ist groß.«
    Die Inhaftierten waren auf dem Schlachtfeld gefangen genommen worden. Sie waren illegale Kombattanten und hätten von Rechts wegen vor ein militärisches Erschießungskommandogehört. Doch das verhinderten die gegenwärtigen US-Gesetze, weshalb die Gefangenen, wenn nötig, bis zum Ende aller Tage in Guantanamo bleiben mussten.
    Damit saßen Ibrahim und Yousaf mit ihren Träumen und Überzeugungen auf dem Trockenen. Wobei der dunklere, muskulösere Ibrahim eher der Krieger von den beiden war. Ähnlich wie für das SEAL-Team, das ihn gefangen genommen hatte, gab es für ihn nur wenige Probleme, die nicht mit Sprengstoff gelöst werden konnten. In diesem Metier war er Experte. Yousaf war der nachdenklichere der beiden, der Planer, Stratege, aber immer bereit, Ibrahim bei der Herstellung einer unkonventionellen Brand- und
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