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Lausbubengeschichten. Aus meiner Jugendzeit

Lausbubengeschichten. Aus meiner Jugendzeit

Titel: Lausbubengeschichten. Aus meiner Jugendzeit
Autoren: Ludwig Thoma
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machte mir aber nichts daraus, weil ich eine Salami bei mir hatte, und ich dachte mir, daß die zwei dürren Rektorssöhne froh wären, wenn sie so viel kriegten.
    Der Ältere stellte sein Bild an das Fenster im Nebenzimmer. Das sah ich genau. Ich wartete, bis alle draußen waren, und las dann die Geschichte vom schwarzen Apachenwolf weiter, die ich heimlich dabei hatte.
    Um vier Uhr wurde ich herausgelassen vom Pedell. Er sagte: »So, diesmal warst du aber feste drin.« Ich sagte: »Das macht mir gar nichts.« Es machte mir aber schon etwas, weil es so furchtbar fad war. Am Montagnachmittag kam der Rektor in die Klasse und hatte einen ganz roten Kopf.
    Er schrie, gleich wie er herin war: »Wo ist der Thoma?« Ich stand auf. Dann ging es an. Er sagte, ich habe ein Verbrechen begangen, welches in den Annalen der Schule unerhört ist, eine herostratische Tat, die gleich nach dem Brande des Dianatempels kommt. Und ich kann meine Lage nur durch ein reumütiges Geständnis einigermaßen verbessern.
    Dabei riß er den Mund auf, daß man seine abscheulichen Zähne sah, und spuckte furchtbar und rollte seine Augen.
    Ich sagte: »Ich weiß nichts; ich habe doch gar nichts getan.«
    Er hieß mich einen verruchten Lügner, der den Zorn des Himmels auf sich zieht. Aber ich sagte: »Ich weiß doch gar nichts.« Und dann fragte er alle in der Klasse, ob sie nichts gegen mich aussagen können, aber niemand wußte nichts.
    Und dann sagte er es unserm Professor. In der Frühe sah man, daß im Zimmer neben dem Rektorat das Fenster eingeschmissen war, und ein großer Stein lag am Boden, der war auch durch das Bild gegangen, welches der Sohn gemalt hatte, und es war kaputt und lag auf dem Boden.
    Unser Professor war ganz entsetzt, und sein Bart und seine Haare standen in die Höhe. Er fuhr auf mich los und brüllte: »Gestehe es, Verruchter, hast du diese schändliche Tat begangen?« Ich sagte, ich weiß doch gar nichts, das wird mir schon zu arg, daß ich alles getan haben muß.
    Der Rektor schrie wieder: »Wehe dir, dreimal wehe! Wenn ich dich entdecke! Es kommt doch an die Sonne.«
    Und dann ging er hinaus. Und nach einer Stunde kam der Pedell und holte mich auf das Rektorat. Da war schon unser Religionslehrer da und der Rektor. Das Bild lag auf einem Stuhl und der Stein auch. Davor stand ein kleiner Tisch. Der war mit einem schwarzen Tuch bedeckt, und zwei brennende Kerzen waren da und ein Kruzifix.
    Der Religionslehrer legte seine Hand auf meinen Kopf und tat recht gütig, obwohl er mich sonst gar nicht leiden konnte.
    »Du armer, verblendeter Junge,« sagte er, »nun schütte dein Herz aus und gestehe mir alles. Es wird dir wohl tun und dein Gewissen erleichtern.«
    »Und es wird deine Lage verbessern,« sagte der Rektor.
    »Ich war es doch gar nicht. Ich habe doch gar kein Fenster nicht hineingeschmissen,« sagte ich.
    Der Religionslehrer sah jetzt sehr böse aus. Dann sagte er zum Rektor: »Wir werden jetzt sofort Klarheit haben. Das Mittel hilft bestimmt.« Er führte mich zum Tische, vor die Kerzen hin, und sagte furchtbar feierlich:
    »Nun frage ich dich vor diesen brennenden Lichtern. Du kennst die schrecklichen Folgen des Meineides vom Religionsunterrichte. Ich frage dich: Hast du den Stein hereingeworfen? Ja – oder nein?«
    »Ich habe doch gar keinen Stein nicht hineingeschmissen,« sagte ich.
    »Antworte ja – oder nein, im Namen alles Heiligen!«

    »Nein,« sagte ich. Der Religionslehrer zuckte die Achseln und sagte: »Nun war er es doch nicht. Der Schein trügt.«
    Dann schickte mich der Rektor fort.
    Ich bin recht froh, daß ich gelogen habe und nichts eingestand, daß ich am Sonntagabend den Stein hineinschmiß, wo ich wußte, daß das Bild war. Denn ich hätte meine Lage gar nicht verbessert und wäre davongejagt worden. Das sagte der Rektor bloß so. Aber ich bin nicht so dumm.
     

Onkel Franz
     
    Da bekam meine Mutter einen Brief von Onkel Franz, welcher ein pensionierter Major war. Und sie sagte, daß sie recht froh ist, weil der Onkel schrieb, er will schon einen ordentlichen Menschen aus mir machen, und es kostet achtzig Mark im Monat. Dann mußte ich in die Stadt, wo Onkel wohnte. Das war sehr traurig. Es war über vier Stiegen, und es waren lauter hohe Häuser herum und kein Garten.
    Ich durfte nie spielen, und es war überhaupt niemand da. Bloß der Onkel Franz und die Tante Anna, welche den ganzen Tag herumgingen und achtgaben, daß nichts passierte. Aber der Onkel war so streng zu mir und sagte immer,
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