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Laurins Vermächtnis (German Edition)

Laurins Vermächtnis (German Edition)

Titel: Laurins Vermächtnis (German Edition)
Autoren: Robert Biegert
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Herz, Hirn und Körper gediehen gut in dem Leben, das er führte. Daran ohne Not zu rühren, wäre Matthias nicht in den Sinn gekommen.
    „So, jetzt aber!“ Paul kam zurück an den Tisch, in den Händen ein Tablett mit Speck, Käse und Kaminwurzen, dazu ein Korb mit Vinschgauern, eine Flasche Rotwein und zwei Gläser. Auch wenn er seit zehn Jahren Wirt war, er sah immer noch aus wie ein Vorzeigesoldat. Er war drahtig von Kopf bis Fuß und seine kurzen schwarzen Haare waren so akkurat geschnitten, dass kein Militärfriseur der Welt daran etwas auszusetzen gehabt hätte. Das Einzige, was den Gesamteindruck weicher machte, war das weite, weiße Hemd aus grobem Leinen.
    „Iss, trink, und dann erzähl‘, was Du auf dem Herzen hast.“
    Matthias nahm als Erstes einen Schluck Rotwein, der ihm auf der Stelle in den Kopf stieg. Kein Wunder, das Einzige, was er seit dem letzten Abend zu sich genommen hatte, war der Kaffee am Vormittag in der Bibliothek des Jägerhofes gewesen.
    „Ich weiß nicht recht, wo ich anfangen soll, das ist alles ganz unwirklich ... meine Großmutter ist heute früh gestorben ...“
    „Das tut mir leid“, sagte Paul und griff mit der rechten Hand nach Matthias‘ Unterarm.
    „Das ist es nicht ... das heißt: schon, ja, sie wird mir fehlen, aber eigentlich geht es um meinen Großvater.“
    „Deinen Großvater?“ Paul Moroder konnte sich sehr gut an Karl Jäger erinnern und auch daran, wie Matthias bei dessen Beerdigung vor sieben Jahren ohnmächtig zusammengebrochen war.
    „Adolf Eichmann.“
    „Was?“
    „Adolf Eichmann hat bei uns gewohnt. Mein Großvater hat ihn 1950 bei uns – also, ich meine, im Jägerhof – ein paar Wochen lang unterschlüpfen lassen.“
    „Das kann doch nicht sein. Woher hätte Dein Großvater Adolf Eichmann kennen sollen?“
    „‘Kennen‘ ist sicher zu viel gesagt. Er wusste natürlich, wer das war. Aber, hat mir Nonna erzählt, gesehen hat er ihn zum ersten Mal, als er im Frühjahr 1950 bei uns auftauchte.“
    „Deine Großmutter hat das gesagt?“
    „Ja, gestern - gestern Abend. Wir haben über früher geredet, über meinen Großvater, über die Zeit, als Rainer und ich noch Kinder waren, über den Krieg und die Jahre danach. Sie hat offenbar gespürt, dass es mit ihr zu Ende geht, und wollte mir bestimmte Dinge erzählen, bevor es jemand anderes tut. Ja, und heute Morgen ist sie gestorben.“
    Eichmann - Paul Moroder war wie vor den Kopf gestoßen.
    „Das gibt‘s doch gar nicht“, sagte Paul. „Ich wusste, dass Adolf Eichmann, nachdem er den Amerikanern entwischt war, ein paar Jahre unter falschem Namen in Norddeutschland gelebt hat. Und dann hat er sich mit falschen Papieren über Italien nach Argentinien abgesetzt. Und dort hat ihn ein paar Jahre später der Mossad geschnappt. Aber warum sollte er im Jägerhof gewesen sein?“
    „Nonna wusste nur noch, dass er auf einen Ausweis, auf ein Visum – was weiß ich – warten und sich verstecken musste. Ein Pfarrer hat ihn zum Jägerhof gebracht und gesagt, mein Großvater würde es sicherlich bereuen, wenn er nicht seiner Christenpflicht nachkäme, einem national gesinnten Antikommunisten Schutz zu gewähren.“
    „Ein Pfarrer?“
    „Ja, das hat Nonna gesagt. Der Pfarrer hat noch einen Schatz erwähnt und dass mein Großvater sicher wollte, dass das Geheimnis um den Hüter des Schatzes gewahrt bleibe.“
    Die Gedanken in Paul Moroders Kopf begannen zu rasen. Er bräuchte eine kurze Auszeit, um zu realisieren, was das alles bedeuten könnte.
    „Was denn für ein Schatz in drei Teufels Namen?“
    „Gold. Von der deutschen Reichsbank. Und die SS hatte was damit zu tun. Nonna hat gesagt, sie würde mir das noch erklären, aber das sei eine komplizierte Geschichte und sie müsse jetzt erst mal schlafen. Sie sei zum Sterben müde.“ Matthias Jäger schluckte trocken. „Sie hat wirklich gesagt: ‚Zum Sterben müde‘. Kannst Du Dir das vorstellen? Und dann hat sie meine Hand gedrückt, die Augen zugemacht und ist heute Morgen nicht mehr aufgewacht.“
    In Paul Moroders Kopf purzelte alles durcheinander: Eichmann ... Gold ... Reichsbank ... SS.
    „Sei mir nicht böse, aber da hat Deine Großmutter offenbar phantasiert. Die Reichsbank wird wohl kaum Geschäfte mit dem Südtiroler Wehrmachtsleutnant Karl Jäger gemacht haben. Und was hätte er mit der SS zu tun gehabt haben sollen?“
    „Keine Ahnung, was weiß denn ich? Auf jeden Fall ...“ Matthias Jäger hatte ein Déjà-vu. So etwas Ähnliches wie
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