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Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose
Autoren: Sonia Marmen
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von ihren zahlreichen Spionen alarmiert waren, verhinderten erfolgreich die Landung der Schiffe. Eine Proklamation versprach demjenigen, der den Prinzen festsetzte, eine Belohnung von einhunderttausend Pfund. Das war unbestritten der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte und den Beginn einer neuen Erhebung ankündigte.
    Im Jahre 1714 starb Anne. Sogleich rief die Regierung den Kurfürsten von Hannover, den Sohn der im Jahr zuvor verstorbenen Prinzessin Sophie, als George I. zum König von Großbritannien
aus. Doch er war nichts als ein Strohmann und ein Marionettenkönig, ein Deutscher, der nichts über das Land wusste, das er regieren sollte; der weder seine Sprache noch seine Sitten und Gebräuche kannte, weder seine Religion noch seine Gesetze. Der ideale König also für eine Regierung, die anstrebte, selbst die Zügel in die Hand zu nehmen und die Macht auszuüben, ohne sie mit der Krone zu teilen oder einen Konflikt mit ihr zu riskieren.
    Soll doch der Teufel die Engländer und ihren König holen!, schrien die Schotten. Das war der Auftritt von John Erskine, Earl of Mar. Dieser Mann war mir ein Rätsel. Ich misstraute den Motiven, die ihn dazu bewogen hatten, sich an die Spitze des Aufstandes zu stellen. John Cameron, der Chief von Lochiel, hatte ihn uns einst als Mann von ichbezogenem, ehrgeizigem Charakter beschrieben, der sich stets den Mächtigen anzudienen wusste. Nachdem der König ihn seines Postens als Staatsminister für Schottland enthoben hatte, hatte er begonnen, die jakobitischen Anführer zu umwerben und sich ihre Sache zu eigen gemacht. Er wollte eine neue Erhebung auf die Beine bringen, um die Stuarts wieder auf den Thron zu setzen. Doch war er nun ein überzeugter Patriot, oder trieb ihn einfach der Wunsch nach Rache?
    War er wirklich der Mann, der nötig war? Dieser Mann, der sein fehlendes politisches Talent durch ein übertrieben höfisches, eingebildetes Auftreten wettmachte und der seine Pläne mit solcher Diskretion und Vorsicht verfolgte, dass man sich seiner wirklichen Ziele nicht sicher sein konnte? Doch was den Jakobiten fehlte, war ein Anführer, der den Aufstand im Lande selbst lenkte. Daher entschied man trotz allem, was gegen ihn sprach, dass er der Mann der Stunde war.
    Am 9. September 1714 hatte der Earl of Mar unter dem Vorwand einer großen Jagdpartie die wichtigsten Clanchiefs und jakobitischen Adligen nach Breamar eingeladen. Doch tatsächlich hatte er vor, sie unter der Standarte des Prätendenten, James III., zu vereinen. Die Nachricht hatte uns in der vergangenen Woche erreicht; das Haus von Lochiel hatte einen Boten geschickt. Daher hatten wir gewusst, dass das Flammende Kreuz jeden Moment unser Tal erreichen konnte … Es war so weit, dies war der Beginn des Aufstandes.

    Mit den Augen verfolgte ich die Bewegung der kleinen Pendeluhr, die Liam mir vor einigen Jahren bei der Rückkehr von einer seiner Reisen nach Frankreich geschenkt hatte. Ich liebte diesen Mechanismus, der das regelmäßige Fortschreiten der Zeit maß. Sein unablässiges Ticken entspannte mich. Doch an diesem Abend konnte ich das präzise Hin und Her des fein ziselierten Pendels aus vergoldetem Messing fast nicht ertragen. Es erinnerte mich daran, dass die Zeit verstrich und mein Mann und meine Söhne bald in den Krieg ziehen würden. Die Männer würden das Tal verlassen, und wir Frauen waren dazu verurteilt, allein zurückzubleiben und in Angst und Furcht zu leben, während wir uns fragten, ob wir unsere liebsten Menschen jemals wiedersehen würden.
    Krachend flog die Tür auf. Mit wild zerzaustem Haar stand Frances im Rahmen und sah mich verstört an.
    »Mutter … ?«
    Unfähig, auf die Frage zu antworten, die sie nicht gestellt hatte, schlug ich die Augen nieder. Ich biss mir auf die Lippen, um nicht selbst loszuschluchzen.
    »Mutter?«, sagte sie noch einmal, ein wenig lauter.
    Ihre feuchten Augen und ihr eindringlicher Blick verrieten mir, dass sie auf eine Antwort von mir wartete.
    »Sie sind gekommen, Frances.«
    Meine Tochter wirbelte herum, um wieder zu gehen und erstarrte dann plötzlich auf der Schwelle. Einen Moment lang senkte sich Schweigen über uns. Sie schloss die Tür und lehnte sich mit der Stirn dagegen. Sichtlich erschüttert, die Schultern vor Schluchzen bebend, sank sie zu Boden.
    »Nein! Es ist doch nicht möglich, dass sie aufbrechen …«
    »Sie haben keine andere Wahl, Frances«, erklärte ich, womit ich wider Willen Liams Worte wiederholte, doch ich versuchte mich
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