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Landpartie mit drei Damen

Landpartie mit drei Damen

Titel: Landpartie mit drei Damen
Autoren: Nancy Mitford
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königlichen Part, als wäre ihm das in die Wiege gelegt worden.
    Als er die Tribüne betrat, entboten ihm die Sozialunionisten einen stürmischen Gruß.
    »Geeoorge! Wir wollen George!«, riefen sie.
    Lady Marjorie stand mit zerzausten Rosshaarlocken, klopfendem Herzen und geröteten Wangen an seiner Seite. Auch sie wollte George.
    Es war ein Riesenerfolg. Die einzelnen Szenen klappten reibungslos, und niemand schien zu bemerken, dass Jaspers Inszenierung in beispielloser Manier die historische Wahrheit ignorierte. Besonders umjubelt waren ausgerechnet jene Episoden, die am wenigsten der Realität entsprachen.
    Sozialunionisten und Publikum tobten vor Begeisterung, als ein Bote erschien und George III mitteilte, dass König Louis von Frankreich von marxistischen Nichtariern erstochen worden sei, worauf der englische Monarch traurig bemerkte: »Ach, mein armer Bruder!«
    Ausklingen sollte das Kostümfest eigentlich mit einem Tableau, das Napoléon an Bord der Bellérophon darstellte, doch im letzten Moment hatte Eugenia ihr Veto eingelegt, da ihr plötzlich eingefallen war, dass Napoléon zwar ein dreckiger Ausländer, aber eben doch ein Führer gewesen war. Stattdessen bildete der Tod Nelsons den Schlussakt, was einigermaßen unsinnig und aus Jaspers Sicht kein großer Erfolg war, da Hardy und Lady Hamilton sich mit unziemlicher Hast auf den sterbenden Admiral stürzten, um ihn zu küssen. Doch dem Publikum schien es zu gefallen.
    Danach intonierte die Blaskapelle Rackenbridge die Melodie von »Onward, Christian Soldiers«, zu der die stramm stehenden Sozialunionisten ihre Hymne sangen.
    Vorwärts, Union Jackshirts!
    Kämpft für Englands Ruhm,
    Kämpft bis in den Tod
    Für England, heil’ges Vaterland.
    Wenn scheel die Fremden glotzen,
    Schlagt sie sogleich zu Boden,
    Tretet sie mit Stiefeln,
    Ihr Blut soll endlos fließen.
    Vorwärts, Union Jackshirts!
    Kämpft für Englands Ruhm,
    Kämpft bis in den Tod
    Für England, heil’ges Vaterland.
    Vorwärts, Union Jackshirts!
    England wird gewinnen,
    Englands Ruhm wird groß,
    Dem Feinde wird es bange,
    Wir sammeln unsre Kraft,
    Wir fackeln nicht mehr lange,
    Es steht in unsrer Macht,
    Vorwärts! usw.
    Kämpft mit Kugeln und Granaten,
    Kämpft mit Castoröl,
    Kämpft mit Feder und Papier,
    Kämpft, treue Jackshirts.
    Schlagt sie, die Pazifisten,
    Schlagt sie, die feigen Memmen,
    Zeigt ihnen unsere Faust,
    Auf dass sie ängstlich flennen.
    Vorwärts, Union Jackshirts!
    Die Feinde soll’n erzittern,
    Wenn wir entschlossen kämpfen
Für England und den Union Jack.
    Anschließend kam es zu einem weiteren unvorhergesehenen Zwischenfall. Nach einem kurzen Moment schickte George III sich an, von der Tribüne zu steigen, um den mittelalterlichen Jahrmarkt zu inspizieren. Die Kameraden, die völlig im Geist der Veranstaltung aufgegangen waren, umringten den Monarchen und jubelten sich heiser, als plötzlich und ganz unerwartet furchterregend aussehende Männer, die als Sansculottes verkleidet waren und gelbe Kappen auf dem Kopf trugen, von hinten herangestürmt kamen. »Wir wollen Frieden! Wir wollen Frieden!«, riefen sie und warfen weiße Federn in die Luft.
    Wir kämpfen gegen
Rot, Weiß und Blau,
    Denn wir sind Gelb,
    Durch und durch.
    Mit Captain Jack
Fangen wir an,
    Denn er hat
Ein schwarzes Herz.
    »Tod den Sozialunionisten!«, brüllten sie und stürzten sich mit Totschlägern, Schlagringen, rasierklingengespickten Kartoffeln, schrotgefüllten Fahrradklingeln und anderen primitiven, aber wirksamen Waffen auf die wehrlosen Kameraden. Diese waren nicht nur unbewaffnet, sondern wurden dummerweise auch durch ihre schweren Mäntel, die schlecht sitzenden Breeches und die Perücken behindert, die ihnen über die Augen rutschten und ihnen die Sicht nahmen. Sie wussten überhaupt nicht, wie ihnen geschah. Viele wurden einfach zusammengeschlagen, andere, weniger Glückliche, in versteckte Winkel des Grundstücks verschleppt und dort Opfer unaussprechlicher Gräueltaten. Mrs Lace wurde zum See geschleift und von maskierten, ihr aber irgendwie vertrauten Gestalten mehr als nur einmal tüchtig untergetaucht.
    Eugenia war derweil in das Haus gegangen, um einen Sonnenschirm für ihre Großmutter zu suchen. Kaum hörte sie den Schlachtenlärm, lief sie wieder hinaus und erblickte ein unglaubliches Gemetzel. Die Sozialunionisten verteidigten sich tapfer in kleinen, verstreuten Trupps, doch es war hoffnungslos. Sie waren völlig desorganisiert. Es war klar, dass die Pazifisten den
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