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Land des Todes

Land des Todes

Titel: Land des Todes
Autoren: Alison Croggon
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Rest der Leute dort. Obwohl sie sagt, nie einen Geist gesehen zu haben, ist sie überzeugt davon, dass ihre Mutter Damek dafür bestraft, wie schlecht er sie behandelt. Ihr Hassfür Damek reicht mittlerweile so tief, dass ich glaube, dieses Vertrauen in die teuflische Liebe ihrer Mutter und ihre Freude ob des Gedankens an Dameks Pein sind die einzigen Dinge, die sie noch am Leben erhalten. In Wahrheit hat er sie schon halb in den Wahnsinn getrieben.
    Dennoch sehe ich in dieser unglücklichen Frau immer noch das junge Mädchen, das ich liebe, so verwundet und gequält sie auch sein mag, und meine einzige Hoffnung besteht darin, dass ich mich um sie kümmern kann, bis eine Heilung möglich ist. Kurz gesagt, der einzige Ausweg, den ich sehe, ist Dameks vorzeitiger Tod. Allerdings ist er trotz all der Geschichten über sein wahnhaftes Verhalten nach wie vor so stark wie ein Ochse, und er wirkt die meiste Zeit so vernünftig wie Sie oder ich. Manchmal glaube ich, die einzige Lösung für unsere Not wäre, wenn ich ein Gewehr ergreifen und ihn eigenhändig töten würde. Die Vorstellung, eine Todsünde zu begehen, lässt meinen Mut sinken: Aber ist es andererseits nicht so, dass wir auch tollwütige Hunde ihretwillen wie unseretwillen erschießen, weil es kein Lebewesen verdient, so zu leiden?
    Wie dem auch sei, ich kann nicht umhin zu glauben, dass es allein Gott obliegt, solche Urteile zu fällen, und nicht den Sterblichen. Ebenso wenig kann ich den Gedanken abschütteln, dass Erlösung selbst für eine so verheerte Seele wie die seine möglich sein könnte, wenngleich ich es mir unmöglich vorstellen kann. Die Wahrheit ist, dass ich es, so wie der Rest von uns, schlichtweg nicht weiß.
    Ich gestehe, dass ich in letzter Zeit in meiner Unrast begonnen habe, Linas Grab zu besuchen, um mit ihr zu sprechen. Vielleicht bestätigt dies nur, dass diese Ereignisse letztlich auch meinen Verstand durcheinandergebracht haben, obschon ich zu meiner Verteidigung berichten kann, dass sie mir nie geantwortet hat.
    Erst gestern war ich bei ihr: Es tröstet mich, allein dort zu sitzen, höchstens gestört von den fernen Rufen der Saatkrähen oder vom trägen Summen der Bienen, die in den das Grassprenkelnden Wildkrokussen bei der Arbeit sind. In solchem Frieden kann ich glauben, dass meine Liebe für Lina, meine Schwester, meine andere Seele, nicht völlig ohne Bedeutung ist, und dass ihr unruhiger Geist eines Tages in dieser stillen Erde Heil finden wird.

E PILOG : H AMMEL
    Es ist einige Wochen her, seit ich zuletzt in dieses Tagebuch geschrieben habe, und nun stelle ich fest, dass meine Rückkehr in die Zivilisation unmittelbar bevorsteht. Bis gestern gab es ohnehin herzlich wenig aufzuzeichnen: Der dramatische Beginn meines Besuchs in diesem unscheinbaren Dorf war keineswegs bezeichnend für den Tenor seines Lebens. Das Dasein hier ist nahezu ungebrochen eintönig. Ich kann nicht behaupten, dass ich diesen Mangel an Aufregung gänzlich bedauere. Die Erinnerung an jene höllische Nacht, die ich in der Manse verbrachte, lässt mich immer noch zusammenzucken, und die Bissmale jenes schmutzigen Köters werde ich bis ans Ende meiner Tage tragen.
    Abgesehen von meinem wahnsinnigen Verpächter habe ich wenig Grund zur Klage über meine Behandlung hier: Ich bin in der Tat höchst behaglich untergebracht. Ich schwöre, während meiner Genesung habe ich ganze zwei Zoll um die Mitte zugelegt, und Anna musste den Bund meiner Hose verbreitern. Sie vertrieb mir die Zeit damit, mir Dameks Geschichte zu erzählen, die fürwahr wild und sonderbar ist. Zuerst dachte ich, sie könnte die Grundlage für einen Roman bilden, doch bei näherer Überlegung verwarf ich die Idee. Die Geschichte ist zu roh und grotesk für den zivilisierten Geschmack; der Erzählung haftet eine Derbheit an, die dem männlichen literarischen Gaumen nicht munden würde, zudem sind die unangenehmen Charaktere von durchweg zweifelhafter Moral, was eine gesittete Leserschaft empören könnte. Bestenfalls ließe sich eine Groschenromanze daraus machen, die den Dienstmädchen gefiele, aber ich möchte meinen Ruf nicht mit solch vulgärem Zeug besudeln.
    Nun aber zu den gestrigen Ereignissen, die ich hier festhalte, weil es den Anschein hat, dass ich unwissentlich einekleine Rolle in diesem Melodram gespielt habe. Nachdem ich mich von meinem Fieber erholt hatte, musste ich – taktvoll und höflich, wie es meine Art ist – die Vertraulichkeit mit meiner Haushälterin beenden, die
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