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Land des Todes

Land des Todes

Titel: Land des Todes
Autoren: Alison Croggon
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sich während meiner unfreiwilligen Untätigkeit eingestellt hatte, und daher wusste ich nicht um die jüngsten Entwicklungen.
    Anscheinend hat mein Verpächter, dessen Gemütszustand seit Langem als ungewiss gilt, seit meinem bedauerlichen Besuch in der Manse die letzten Reste seiner geistigen Gesundheit eingebüßt. Er verbringt nun schon mehrere Tage damit, wie ein Wahnsinniger durch die Landschaft zu irren, und schläft oft unter freiem Himmel. Mitten im Sommer ist das mit keinen großen Unbilden verbunden, da die Nächte mild und kurz sind, dennoch zeugt es unzweifelhaft von einem verdächtig merkwürdigen Verhalten.
    Natürlich mied ich Damek seit der schrecklichen Nacht, die ich in seiner Gesellschaft verbrachte. Bei seltenen Gelegenheiten, wenn ich zu Spaziergängen unterwegs war, sah ich ihn aus der Ferne nahen, und ich achtete darauf, meine Richtung zu ändern, um einer peinlichen Begegnung zu entgehen. Bis gestern schien diese Strategie vortrefflich zu funktionieren, da er meine Gesellschaft sichtlich ebenso wenig wünschte wie ich die seine.
    Ich war zu meinem üblichen Gesundheitsspaziergang außer Haus, als ich einer Eingebung folgend beschloss, auf den Fluss zuzuhalten, ein Gebiet, das ich bis dahin noch nicht erkundet hatte. Trotz klaren Himmels war es ein diesiger Tag mit der Schwüle eines bevorstehenden Unwetters, und als ich mein Ziel erreichte, war mir unangenehm heiß. An einer geeigneten Stelle hielt ich inne, um mich zu erfrischen, und ich spritzte mir gerade Wasser ins Gesicht, als mich eine Hand grob packte und mit solcher Heftigkeit zurückzog, dass ich auf den Rücken geschleudert wurde.
    Der Urheber dieser Gewalttat war natürlich Damek. Er stand über mir, starrte mich finster an und atmete schwer,sprach jedoch kein Wort. Ich rappelte mich auf und fragte ihn, was dieses Verhalten zu bedeuten habe. Ich muss zugeben, dass ich erschrocken war, dennoch spürte ich all die Unschicklichkeit meiner Lage.
    Verächtlich verzog er die Lippen. »Sie!«, rief er. »Ich hätte es mir denken können.«
    »Sie haben kein Recht, mich so zu behandeln, mein Herr!«, sagte ich.
    »Und Sie haben kein Recht, hier zu sein!«
    »Meines Wissens habe ich kein Eigentum widerrechtlich betreten«, gab ich mit so viel Würde zurück, wie ich aufzubringen vermochte. »Und ich möchte Sie daran erinnern, dass ich Ihnen eine beträchtliche Pacht bezahle, um diese Annehmlichkeiten zu nutzen …«
    Er vollführte eine ungeduldige Geste. »Das hier ist keine Annehmlichkeit «, erklärte er höhnisch und ahmte meine Sprechweise nach. »Und es ist ver-bo-ten, hierher zu kommen. Haben Sie verstanden?«
    »Verboten?«, fragte ich. »Auf wessen Anordnung, mein Herr? Ich glaube, meine Pacht erlaubt mir den ungestörten Genuss dieses Grundstücks …«
    »Auf meine Anordnung. Meine . Das sollte Ihnen ebenso genügen, wie es allen anderen genügt.«
    Mittlerweile war ich so erpicht darauf, zu gehen, wie er darauf, mich aus den Augen zu bekommen. Also bückte ich mich, um mein Bündel aufzuheben, wobei ich ihm eine Entschuldigung dafür entbot, ihn unabsichtlich beleidigt zu haben. Da packte er mich am Ellbogen und zog mich zu sich hoch, so nah, dass ich seinen Atem im Gesicht spüren konnte. Sein Blick erforschte meine Züge mit einer unheilvollen Eindringlichkeit, und sein Griff war dermaßen brutal, dass ich später blaue Flecken an meinem Arm fand.
    »Warum hat sie sich Ihnen gezeigt?«, murmelte er. »Das treibt mich in den Wahnsinn. Was für eine Grausamkeit, dass sie ausgerechnet ein erbärmlicher Wurm wie Sie zu sehen bekommt, während ich mich seit Jahren danach sehne … Kein einziges Zeichen, keine einzige Sichtung! Und Sie stolpern einfach in mein Haus …«
    Er ergriff mein Kinn und drehte mein Gesicht, musterte mich eingehend, während ich vergeblich versuchte, seine Finger zu lockern. Ich fühlte mich so hilflos wie ein Kaninchen in den Fängen eines Wolfs. Plötzlich ließ er mich derart unverhofft los, dass ich stolperte, und dann standen wir einander gegenüber. Immer noch starrte er mich finster an, sein Antlitz dermaßen verzerrt, dass man es kaum noch menschlich nennen konnte. Ich war zu verängstigt, um mich auch nur zu rühren.
    Auf einmal war es, als würde ein Bann gebrochen, und Damek lachte – lachte über mich. »Sehen Sie sich nur an! Sie pissen sich ja vor Angst beinah in die Hose. Was hätte sie doch für Verachtung für Sie empfunden. Und dennoch – wenn Sie wüssten, wie ich Sie beneide!
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