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Land des Todes

Land des Todes

Titel: Land des Todes
Autoren: Alison Croggon
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Unglück hatte er nicht einmal mehr genug Antrieb besessen, um sein Testament zu ändern, und so gelangte all seine Habe in Dameks Hände. Am Totenbett rief Tibor nach seiner Tochter, aber Damek weigerte sich, sie zu ihm zu lassen. Und es schien ihm ein diabolisches Vergnügen zu bereiten, Lina zu verbieten, der Beerdigung beizuwohnen oder auch nur Trauerkleidung zu tragen, wenngleich man Damek selbst am Rand des Friedhofs sichtete, wo er sich zweifellos hämisch über das Ende seines Feindes freute.
    Er verlegte seinen Haushalt in die Manse, wo mein armes Mädchen seine glücklichsten Jahre verbracht hatte. Zef und mich beauftragte er damit, uns um das Rote Haus zukümmern, wo Sie, mein Herr, uns angetroffen haben, zumal er nun unser Master ist. Wäre da nicht die junge Lina, ich wäre längst aus seinen Diensten ausgetreten. Ich besuche die Manse, wann immer ich kann, und bringe ihr so viel Trost wie möglich. Zumindest meine Besuche verbietet Damek nicht. Und so ist es die vergangenen zwei Jahre gewesen.
    Ich kann mich dazu überwinden, Dameks frühere Handlungen, ungeachtet des entsetzlichen Schadens, den sie angerichtet haben, zu verzeihen, wenngleich nicht zu entschuldigen. Aber selbst eine Heilige könnte ihm nicht vergeben, was er der jungen Lina angetan hat, die sich seinen Hass allein dadurch zugezogen hatte, dass sie geboren worden war. Ich bete dafür, dass ihm Gerechtigkeit widerfahren möge. Allerdings wüsste ich nicht, wie, zumal er die Gunst des Königs genießt. Und selbst wenn er beschlösse, sich morgen das elende Gehirn mit einem Gewehr aus dem Schädel zu jagen, könnte der Schaden, den er verursacht hat, nie rückgängig gemacht werden.
    Wenn man behaupten kann, dass ich einen Menschen hasse, dann ihn. Nach Linas Tod war er nichts, wie er es mir damals sagte: Und aus jener Leere errichtete er eine Festung, die noch immer schwarz über uns allen aufragt und alle Freude, jede Sanftmut untersagt. Ich hätte nicht für möglich gehalten, dass ein Mensch zu so sinnloser Barbarei fähig ist.
    Seit dem Umzug in die Manse hat Damek jedes Interesse an seinem Besitz verloren. Zwar ist er so geizig wie eh und je, aber was früher sorgsam instand gehalten wurde, wird nun dem Verfall überlassen. Teilweise liegt dies daran, dass die Dörfler sagen, das Haus sei verwunschen, weshalb sie dort nicht arbeiten wollen. Sein einziger verbliebener Diener ist Kush. Um ehrlich zu sein, glaube ich, dass Damek jeden Monat tiefer in seinen Wahnsinn versinkt.
    Im Dorf kursieren zahlreiche Geschichten – einige Bewohner behaupten, sie hätten gesehen, wie Damek mit dem Teufel sprach, andere meinen, dass er selbst der Teufel sei. Ich halteauf all das nicht viel, weil Klatsch der Phantasie Flügel verleiht, allerdings denke ich, dass selbst die wildesten Gerüchte ein Körnchen Wahrheit enthalten.
    Vor einigen Wochen beispielsweise fand Pater Cantor Linas Grab verwüstet vor – die gesamte Erde war aufgewühlt. Der arme Mann dachte, Lina müsse sich eigenhändig aus dem Sarg gekratzt haben, suche nun den Friedhof heim, und er bekreuzigte sich unter einem Schweißausbruch der Panik. Ich halte es für wahrscheinlicher, dass Damek in einem seiner Anfälle einen Blick in das Antlitz seiner toten Liebe werfen wollte, ungeachtet ihres körperlichen Verfalls. Ich muss gestehen, der Gedanke an eine solch abartige Leidenschaft erfüllt mich mit größerem Grauen als die Vorstellung, Lina könnte umherspuken.
    Und dann, Anfang dieses Frühlings, stolperte ein junger Hirte, der nach Sonnenuntergang noch unterwegs war, um eine verirrte Ziege zu suchen, am Fluss über Damek. Er erzählte, Damek habe im Schlamm gescharrt und gebettelt und gefleht wie jemand, der Höllenqualen litt. Der Junge dachte, er sei krank, überwand seine Angst und wollte ihm helfen. Doch Damek wandte sich wie ein wildes Tier gegen ihn, knurrte und fluchte. Der Junge schwor, seine Augen seien von dämonischen Flammen umgeben gewesen. Ob das mit den Flammen stimmt oder nicht, sei dahingestellt – fest steht, dass der Hirte den ganzen Weg nach Hause in schrecklicher Angst um seine Seele rannte und seither das Haus nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr verlässt.
    Doch von Dämonen völlig abgesehen, die Manse ist ein erbärmlicher Haushalt! Nichts vermag, die Stimmung des Elends zu vertreiben, obwohl ich tue, was ich kann, um sie zu lindern. Die junge Lina, die in dieser widerlichen Hölle gefangen ist, wird nach und nach genauso verrückt werden wie der
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