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Land der Sehnsucht (German Edition)

Land der Sehnsucht (German Edition)

Titel: Land der Sehnsucht (German Edition)
Autoren: Tamera Alexander
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irgendwie abstoßend.
    Er schaute sie an. „Es tut gut, dich lachen zu hören, ma Petite.“ Er ging wieder weiter. „Wo waren wir stehen geblieben?“
    „Ich glaube, du hast meine Fehler aufgezählt. Und du warst dabei nicht besonders schmeichelhaft.“
    „Oui, Mademoiselle. Aber es ist auch wirklich eine lange Liste, nicht wahr?“ Sein Tonfall entsprach seinem Lächeln. „Wie neulich, als du vergaßt, Zucker in Madame Marchands Tee zu geben. Ich dachte schon, wir müssten das Parlament einberufen, um über dein Schicksal zu entscheiden.“
    Sie lächelte, wand sich aber innerlich, als sie an Madame Marchand dachte, die Matriarchin der Familie.
    Vor sechs Jahren hatte Monsieur Marchand Véronique in den Dienst seiner betagten Mutter gestellt, nachdem seine einzige Tochter, der Véronique seit ihrer Kindheit als Gesellschafterin zur Seite gestellt gewesen war, geheiratet hatte.
    Madame Marchand hatte sie an dem Tag, an dem ihr dieser schwerwiegende Fehler unterlaufen war, nicht weniger als viermal deshalb gerügt. An den folgenden Tagen hatte die Frau ihren Tadel mehrmals durch kurze, gezielte Blicke fortgesetzt, die sie zuerst auf die Zuckerdose gerichtet hatte und dann strafend auf Véronique.
    Sie schüttelte seufzend den Kopf. „Ich fürchte, ich bin in letzter Zeit in Gedanken oft nicht ganz bei der Sache.“
    „Aber deinen schlimmsten Fehler habe ich mir bis zum Schluss aufgehoben.“ Christophe blieb stehen und sie tat es ihm gleich. „Du vergisst ständig die Unzulänglichkeiten anderer Menschen, selbst wenn sie bewusst unfreundlich zu dir sind. Du gewährst Barmherzigkeit, wo keine gerechtfertigt ist …“ Er wurde ernster. „Zusammen mit deiner lieben Mutter hast du dem Haus Marchand immer mit voller Hingabe gedient, trotz Madame Marchands schlechter Laune und fordernder Art. Diese undankbare, alte …“
    Ihre Augen weiteten sich, erschrocken über den Namen, den er Madame Marchand gab. Allerdings würde sie lügen, wenn sie behauptete, dass sie nicht gelegentlich das Gleiche gedacht hatte.
    Sie bogen um die Ecke, und Véronique sah, dass eine von Monsieur Marchands Kutschen neben dem Eingang zum Friedhof auf sie wartete. Sie hatte am Morgen die drei Kilometer lange Strecke zu Fuß zurückgelegt und es genossen, Zeit zum Nachdenken zu haben und Madame Marchands strengem Blick zu entkommen. „Ist Monsieur Marchands Besprechung mit dem Personal so dringend, Christophe?“
    Sein Blick blieb auf die Kutsche gerichtet. „Ist etwas passiert?“
    Er half ihr in die Kutsche, stieg neben ihr ein und klopfte an die Seite der Tür. Der Fahrer antwortete ebenfalls mit einem Klopfen.
    Véronique hätte am liebsten ihre Frage wiederholt, aber sie hielt sich zurück. Christophe unter Druck zu setzen, war noch nie von Erfolg gekrönt gewesen. Ganz im Gegenteil.
    Der Fahrer lenkte die Kutsche auf die Hauptstraße und wählte eine Straße, die parallel zum Musée du Louvre und zur Seine verlief. Der Fluss bahnte sich seinen Weg durch die Mitte der Stadt. Sein dunkles Wasser war durch die täglichen Abwässer und Abfälle der Stadtbewohner trüb und stinkend.
    Véronique schob den Samtvorhang vom Fenster zurück, um Luft in die Kutsche zu lassen. Der Schatten, der über Christophes Gesicht zog, entging ihr dabei keineswegs.
    Er beugte sich vor und stützte die Unterarme auf seine Oberschenkel. „Es gibt etwas, das ich dir sagen muss, und ich bitte dich, dass du mich aussprechen lässt, bevor du etwas dazu sagst, ma Chérie.“ Er schaute sie wieder an. „Sonst, befürchte ich, kann ich meine Aufgabe nicht erfüllen.“
    In seinem Ton lag ein ungewohnter Ernst, was für sie Grund genug war, seiner Bitte nachzukommen. Wortlos nickte Véronique.
    „Kaiser Napoleon wird in den nächsten Stunden Preußen den Krieg erklären. Monsieur Marchand hat eine geheime Nachricht bekommen, dass Preußen im Begriff steht, seine Armee mobil zu machen. In Spanien wird es zweifellos einen bereitwilligen Verbündeten finden. Monsieur Marchand …“ Die Kutsche blieb abrupt stehen. Christophe schaute aus dem Fenster, bevor er mit leiserer Stimme weitersprach. „Monsieur Marchand geht davon aus, dass der Konflikt weitreichend sein wird. Er hat bereits Pläne getroffen, binnen dieser Woche nach Brüssel aufzubrechen, und … ich werde ihn begleiten. Seine ganze Familie wird ebenfalls mit ihm reisen.“
    Plötzlich wurde ihr der Grund für Christophes Zögern klar. Sie berührte sanft seinen Arm. „Ich will Paris nicht verlassen,
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