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Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Titel: Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten
Autoren: Ilona Andrews
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nahm ihr gegenüber in einem Sessel Platz. Er war schmaler, als sie ihn in Erinnerung hatte. Älter. Er war nun schon fast zwei Wochen wieder zu Hause, aber sie wachte immer noch auf und glaubte fest, er sei verschwunden.
    »Es ist fast alles eingepackt«, sagte er. »Wir verlassen das Moor übermorgen.«
    Sie schaute weg, denn sie hatte nichts gepackt.
    »Brauchst du Hilfe bei deinen Sachen?«, fragte er.
    »Ich gehe nicht.«
    Gustave zog die Stirn in Falten. »Dann willst du uns alle im Stich lassen? Großmama, deine Vettern und Cousinen, mich. Sophie.«
    Cerise sah den weichen Sessel an, in dem Lark zusammengerollt schlief.
    Da sie keine Antwort wusste, wandte sie den Blick ab.
    »Sprich mit mir«, bat er.
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein.«
    »Glaubst du, ich würde es nicht verstehen?«, fragte er behutsam. »Man hat mir deine Mutter genommen. Sie mir aus den Armen gerissen, das letzte Mal, als ich sie gesehen habe, war sie völlig verängstigt. Ich weiß, wie du dich fühlst, Ceri. Ich weiß es.«
    Sie schluckte. »Er ist nicht gekommen. Ich liebe ihn. Ich dachte, er liebt mich auch, aber er ist nicht gekommen.«
    »Vielleicht solltest du zu ihm gehen«, sagte er sanft. »Vielleicht wartet er auf dich.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe mit den Leuten vom Spiegel gesprochen. Er hat mich wieder belogen, Papa. Er hat mir gesagt, er hätte nichts, aber anscheinend ist er reich. Er kennt den Marschall der Südprovinzen. Eine große Sache, nach allem, was man so hört. Er hat mir erzählt, er sei Kopfgeldjäger, normal, dass er nichts hätte, und ich hab ihm geglaubt. Warum glaube ich ihm jedes Mal? Bin ich blöd?«
    »Männer lügen aus vielen Gründen«, sagte Gustave. »Vielleicht wollte er sichergehen, dass du ihn um seiner selbst willen liebst und nicht wegen seines Geldes.«
    »Er hat mir gesagt, er liebe mich auch. Woher soll ich wissen, dass das nicht wieder bloß eine Lüge ist?«
    Gustave seufzte. »Der Mann hat mich aus Kasis befreit. Das war er uns keineswegs schuldig, Ceri. Er hat das getan, weil ich dein Vater bin.«
    Abermals schüttelte sie den Kopf. »Er weiß, wo wir wohnen, er könnte in einem Tag hier sein. Wenn er das wollte, wäre das längst geschehen. Nein, er hat sich’s anders überlegt, Papa. Er hat beschlossen, dass er mich gar nicht will, und betteln werde ich bestimmt nicht. Ich werde nicht in meiner ganzen Moorherrlichkeit auf seiner Türschwelle erscheinen und ihn anflehen, dass er kommt und mich aus dem Sumpf zieht. Ein kleines bisschen verflixten Stolz hab ich noch.«
    Gustave seufzte. »Ich möchte, dass du bis morgen gepackt hast.«
    Sie antwortete nicht. Wozu noch länger herumreden?
    Er seufzte erneut und ging. Cerise wartete, bis er die Tür hinter sich geschlossen hatte, dann weinte sie leise und rollte sich in ihrem Sessel zusammen.
    Ein weiterer grauer Tag. Der Ausblick vom Balkon hatte sich kaum verändert.
    William schüttelte den Kopf. Sie kam nicht mehr. Also musste er die Zähne zusammenbeißen und weitermachen.
    Hinter ihm hallten Schritte. Einer von Declans stellvertretenden Marschalls, der ihm leihweise zur Verfügung stand, bis er seine eigene Mannschaft zusammenhatte. Allerdings hatte er keine Ahnung, wie er das anstellen sollte.
    »Mylord, Gustave Mar ist hier.«
    Großartig . »Ich lasse bitten.«
    Kurz darauf gesellte sich Gustave zu ihm auf den Balkon. Schlank, dunkel. Wie Cerise. Dieselben Augen, dieselbe Haltung.
    Gustave verbeugte sich.
    »Nicht«, bat William. »Hier.« Er zog einen Stuhl von dem kleinen Picknicktisch heran und nahm selbst auf dem anderen Platz. »Was kann ich für Sie tun?«
    »Ich bin hier, um Ihnen für die Rettung meiner Familie zu danken. Und dafür, dass Sie Genevieve Beistand geleistet und meiner Tochter diese Belastung erspart haben. Ich weiß nicht, was ich sagen soll, aber ich möchte, dass Sie wissen, wie dankbar ich Ihnen bin. Ich werde für Sie da sein, wenn Sie mich brauchen. Das gilt für jeden von uns.«
    William nickte unbehaglich. »Danke.«
    Sie sahen einander an. Das Schweigen wurde ungemütlich.
    »Was zu trinken?«, fragte William.
    Gustave atmete aus. »Gern.«
    William ging hinein und kam mit einer Flasche Wein und zwei Gläsern zurück. Er füllte sie. Gustave probierte. »Guter Wein.«
    »Nicht so stark wie Ihrer.«
    »Ah, ja, den werde ich vermissen. Wir werden wohl Ausflüge ins Moor unternehmen müssen, um die Beeren dafür zu sammeln.«
    »Aber nehmen Sie eine kleine Armee mit«, sagte William.
    Gustave
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