Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Lamento

Titel: Lamento
Autoren: Maggie Stiefvater
Vom Netzwerk:
Schritte von ihr entfernt.
    »Warum ist sie noch nicht tot?« Zu meiner Überraschung klang ihre Stimme erschöpft, ein klein wenig wie Lukes Stimme – vielleicht geschah das mit einem menschlichen Körper nach tausend Jahren.
    Aodhan grinste mich an. »Wir haben nur ein bisschen mit ihr gespielt.«
    »Ihr könnt spielen, wenn sie tot ist.« Die Königin sah mich ungläubig an. »Und du bist Deirdre? Ich dachte, wenn ich dich sehe, würde ich verstehen, weshalb Luke Dillon nicht tut, was ihm befohlen wurde. Aber du bist …« Sie zuckte offensichtlich ratlos mit den Schultern. »Du bist so
gewöhnlich

    Diese Worte waren so menschlich, dass sie mir den Mut verliehen, zu sprechen. »Ihr wart doch selbst einmal ganz gewöhnlich.«
    Wieder musterte mich die Königin ungläubig. »Du vergleichst den Wert deines Lebens mit meinem? Du bist nichts. Und ich bin alles. Ist
das
der Grund, weshalb du nicht sterben willst? Weil du dachtest, du wärest etwas wert? Deine Geschichte wurde bereits tausendmal niedergeschrieben, und in jeder einzelnen Version findest du und dein Liebster den Tod.«
    Sie trat auf mich zu. Sie verströmte ungeheure Kraft, und ich taumelte rückwärts, um der erstickenden Macht zu entkommen. War es wirklich so? Lebte ich »The Faerie Girl’s Lament«?
    Plötzlich spürte ich einen Ruck an meinem Knöchel, und das Bein wurde mir unter dem Körper weggezogen, so schnell, dass mir die Luft wegblieb. Einen Augenblick später hing ichkopfüber an meinem Knöchel, und mein eiserner Schlüssel baumelte gefährlich unterhalb meines Gesichts. Ich riss die Hände hoch, aber ich war in der einfachsten, offensichtlichsten Falle aller Zeiten gefangen.
    Aodhans Lachen hallte über die Bühne, und er klatschte in die Hände, obwohl die Königin finster dreinschaute. Er trat so dicht vor mich hin, dass sein Gesicht vor meinem schwebte und der Schlüssel zwischen uns hing. »Ich dachte schon, du würdest
nie
hineintreten.«
    Er griff in meinen Nacken. Seine Finger fühlten sich viel zu heiß auf meiner Haut an, als er die Schnur löste, an der mein Schlüssel hing.
    Nein. Verdammt, nein.
    Ich rief die Dunkelheit draußen an, sammelte sie in mir und wollte sie ihm ins Gesicht stoßen. Ich würde alles tun, um ihn von Lukes Geheimnis fernzuhalten.
    »Nein, Deirdre Monaghan«, sagte die Königin tonlos. »Das tust du nicht.«
    Sobald sie meinen Namen aussprach, war ich innerlich leer wie ein Ballon, dem binnen einer Sekunde die Luft entzogen wurde.
    Klappernd fiel der Schlüssel vor Aodhans Füße. Und ich fühlte mich schlaff, ausgelaugt, gefangen. Deshalb also hielten die Feen ihren Namen geheim.
    »Darf ich jetzt mit ihr spielen?« Aodhan richtete diese Worte an die Königin, ohne jedoch den Blick von meinem Gesicht zu lösen.
    »Er hat so hart dafür gearbeitet«, bemerkte Eleanor.
    Die Königin machte eine vage, gleichgültige Geste, woraufhin Aodhan an der Seite der Bühne emporkletterte, um das Seil durchzuschneiden. Fieberhaft ging mein Verstand alle möglichen Pläne durch, doch die Gedanken entglitten mir wieWasser, von meinem hämmernden Herzen aus meinem Kopf gepumpt.
    Und dann fiel ich. Mir blieb kaum noch Zeit, die Arme auszustrecken, als Schmerz mich durchfuhr – erst den Hinterkopf, dann die linke Hand. Ich rang nach Luft und darum, das Bewusstsein nicht zu verlieren. Ich war auf demselben Schutthaufen gelandet wie James und bekam keine Luft. Und meine Hand tat höllisch weh.
    O Gott.
Mein Blick fiel auf meine Hand, bei deren Anblick es mir den Magen umdrehte. Durch meinen Handrücken war ein langer Nagel getrieben, dessen Spitze mehrere Finger breit aus meiner Handfläche ragte. Es war kaum Blut daran zu sehen.
    »Hast du dir weh getan?« Aodhan stürzte sich auf mich und drückte meinen anderen Arm auf den Boden. Er grinste mit glänzenden Augen auf mich herab. Sein Körper war zu heiß, er verbrannte mich regelrecht, während mir sein Thymian-Atem entgegenschlug. Ich hätte mich fürchten sollen, aber ich konnte nur daran denken, wie froh ich war, dass Luke nicht hier war und mich unter ihm festgenagelt sah. Bei dem Gedanken brannten Tränen der Scham in meinen Augen. »Ich glaube, ich werde dich sehr genießen.«
    Bei diesen Worten regte sich James neben mir und sagte kaum hörbar: »Runter von ihr.«
    »Du musst mich einen Moment entschuldigen, meine Schöne«, sagte Aodhan, griff an seinen Gürtel und zückte einen Dolch. »Ich muss mich erst um das da kümmern.«
    Okay. Das reichte jetzt. Als
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher