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Labyrinth der Puppen: Thriller (German Edition)

Labyrinth der Puppen: Thriller (German Edition)

Titel: Labyrinth der Puppen: Thriller (German Edition)
Autoren: S. L. Grey
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Verkehrs.
    »Pass auf, Dan, dass dir die Möwe da nicht auf den Kopf scheißt«, warnt Rhoda.
    »Ja, klar, und dieser Delfin da hat dir gerade dein Bein abgebissen, also pass lieber selber auf.«
    »Delfine beißen keine Menschen, du Idiot«, meckert sie.
    »Der schon. Es ist ein halb verhungerter, unterirdischer Delfinmutant. Er ernährt sich ausschließlich von den Fast-Food-Kartons, die wir wegschmeißen, und sein ätzender Speichel frisst dir glatt das Fleisch von den Knochen.«
    »Okaaaay ...«, meint sie, und keiner von uns lacht. In unserer Fantasie streift immer noch der Hüter durch die Gänge.
    An diesem Tisch haben wir gesessen, als die graue Frau zu uns gekommen ist, um mit uns zu reden. Ich weiß noch, wie ich mit dem Kopf auf den Boden knallte, als ich gestolpert bin. Genau dort. Ich bin mir ganz sicher.
    Die Zeit ist hier eine unendliche Schleife. Unsere Handys verraten uns die Uhrzeit, wenn wir sie gelegentlich einschalten, immer in der Hoffnung auf eine Nachricht, eine Einladung. Aber wenn man nur wartet, sind Zeit und Datum lediglich bedeutungslose Zahlen. Die Neonröhren an der Decke brennen ununterbrochen. Wir haben unser kleines Apartment mit dicken schwarzen Plastikfolien behängt, um wenigstens hin und wieder etwas Dunkelheit zu bekommen. Wir bemessen unseren Tagesrhythmus nach dem gedämpften Grummeln des Verkehrs draußen – eines Draußen , das wir hier unten nie zu Gesicht bekommen. Das Gebäude seufzt, knackt und atmet wie ein Körper. Alarme sind sein Magenknurren, das Rumpeln der Ladetore sein Gasaustausch.
    Ich bin heute mit dem Einkaufen dran. Ich kehre mit einigen Burgerresten, einem warmen blauen Milchshake und einer halben Flasche schalem Sprudelwasser von der Müllpresse zurück. Außerdem habe ich ein paar alte Blumen – Nelken, aber egal – und einen Klumpen aus zusammengeschmolzenen Teelichtern gefunden. Ich lege die Beute auf einen der Tische, während Rhoda noch schläft. Sie schläft viel in letzter Zeit: Die Träume trösten und vertreiben die Zeit, während man wartet.
    Mein geschäftiges Treiben weckt sie. Sie lächelt, als sie das kleine Universum bemerkt, das ich vor ihr aufgebaut habe, und steht auf, um sich zu mir zu gesellen. Verschlafen streckt sie sich und reibt sich mit den Händen den Kopf. Sie haut kräftig rein und legt die unbenutzten Ketchup-Tütchen zur Seite. Ein Schuss Ketchup ist ein gutes Magenmittel.
    Manchmal muss ich an Bradley denken, aufgespießt an diesem Bücherregal, wie er gekeucht und mit den Beinen gestrampelt hat. Ich habe das nicht gewollt. So eine wichtige Rolle hätte er in meinem Leben nicht einnehmen dürfen. Er hätte ein Niemand für mich bleiben sollen. Aber so ist er nun einmal zu meinem Schicksal geworden – er hat mir mein Leben genommen, im Austausch gegen seines.
    »Du machst ’nen traurigen Eindruck«, sagt Rhoda.
    »Nein. Alles in Ordnung.«
    »Du willst hier raus, stimmt’s?«
    Ich habe so oft über Alternativen nachgedacht und weiß, dass diese hier die beste ist. »Nein.«
    »Wir werden wieder dorthin kommen. Ich bin mir ganz sicher.« Aber noch nie habe ich sie mit weniger Überzeugung reden hören.
    »Wir haben es nicht nur geträumt?«, frage ich.
    »Nein.«
    Ich schweige.
    »Danke für die Blumen. Du bist der netteste Freund, den ich je hatte. Hast mich sogar deiner Mum vorgestellt.« Sie verstummt, als hätte sie etwas Falsches gesagt.
    »Ist schon okay«, beruhige ich sie. Ich mache mir Sorgen wegen meiner Mutter, aber was täte ihr wohl mehr weh? Dass ich hier bin – in ihren Augen spurlos verschwunden – oder dass ich im Gefängnis vergewaltigt werde und Aids bekomme. Ich höre die Nachrichten schon gar nicht mehr ab, die sie mir auf der Mailbox hinterlässt. Ich kann ihr Flehen nicht länger ertragen, die Tränen in ihrer Stimme, die undeutlichen Worte, wenn sie getrunken hat, ihre Versprechen, mir ›den besten Anwalt in ganz Joburg‹ zu besorgen. Wie sie sich einzureden versucht, dass die Polizei einen Fehler gemacht haben muss, dass ihr Sohn, ihr Daniel, unmöglich etwas Schlimmes getan haben kann.
    Gleichzeitig denke ich an das Gift in meinem Körper. Wie lange müssen wir hier warten? Wie lange müssen wir diesen Dreck essen? Das sollte das geringste meiner Probleme sein, ich weiß, aber seit mein Dad gestorben ist, habe ich das Gefühl, dass sich in meinen Knochen der Krebs versteckt hält, dass eine Zeitbombe in meinem Blut tickt. Ich habe Angst davor, meinen eigenen Körper zu vergiften und mit
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