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Kuss des Apollo

Titel: Kuss des Apollo
Autoren: U Danella
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bisherigen Leben.« Geraldine überlegte nun laut.
    »Bloß ist das alles ein wenig schwierig für sie. Wie lange war sie in dem Bordell? Hat sie jemals einen Beruf erlernt? Ist sie dort aus Leichtsinn, aus Dummheit gelandet oder, was am wahrscheinlichsten ist, durch einen Mann?«
    »Wir können nicht noch ihre ganze Vergangenheit aufrollen, das wird viel zu lang für einen Film.«
    »Warum nicht? Das könnte doch der Anwalt tun. Das müsste er tun, wenn er sie vor Gericht verteidigen soll. Nehmen wir an, sie ist von einem miesen Kerl verführt worden, und der hat sie dann in dem Bordell abgeliefert. Oder sie an den Zuhälter verkauft. Sie kann eine unglückliche Kindheit gehabt haben. Ihr Vater hat sie missbraucht. Ihr Stiefvater zum Beispiel. Ihrer Mutter war es egal, sie ging sowieso eines Tages auf und davon.«
    Sebastian hob beide Hände.
    »Geri, hör auf. Du schreibst einen Roman und kein Drehbuch.«
    »Der Anwalt muss aber eine wichtige Rolle spielen. Angenommen, es gelingt ihm, dass sie nach zehn Jahren wieder freikommt. Sie geht durch die Straßen, sie kommt vorbei an dem Haus in Harvestehude, wo einst das neue Leben für sie begann. Der Psychiater ist ja tot, jetzt steht das Haus leer. Und sie geht durch das Haus, sie erinnert sich, sitzt in dem Zimmer, in dem sie damals gewohnt hat, sie weint.«
    »Und dann?«
    »Dann kommt der Anwalt, der ja weiß, dass sie heute entlassen worden ist.«
    »Und dann? Er nimmt sie in die Arme, küsst sie, und da hast du ein Happy End. Eine richtige Schnulze.«
    Geraldine stand auf.
    »Na gut, denken wir morgen weiter darüber nach. Jetzt gehen wir an die frische Luft. Gegessen haben wir genug und getrunken auch. Und Nelson wartet schon.«
    Sie gingen am Watt entlang, es war noch hell, das Meer schimmerte in sämtlichen Farben, der Himmel auch. »Ein seltsames Land ist das«, sagte Sebastian. »Wird es hier überhaupt dunkel?«
    »Noch lange nicht. Und dies ist kein Land, sondern eine Insel.«
    »Ich kenne eine Menge Inseln. Ich war auf Mallorca und Ibiza und auf Capri. Und auf den griechischen Inseln waren wir auch. Was ist so anders an dieser Insel?«
    »Ich weiß es nicht. Es ist eine besondere Insel. Und deswegen wird sie von manchen Menschen so geliebt.«
    »Du sagst von manchen Menschen, aber nicht von allen Menschen.«
    »Gewiss nicht. Das wäre ja schrecklich. Es sind sowieso schon zu viele da. Irgendwie muss man hierher passen. Die Harmonie muss stimmen. Und darum kommen so viele Menschen, eben doch viele, immer wieder. Und jetzt gehen wir hier hinauf«, sie wies mit der Hand auf einen schmalen Pfad. »Da kommen wir zu St. Severin, das ist die Kirche von Keitum. Und oben kannst du dann auch den Mond sehen, wir haben zunehmenden Mond, den siehst du hier unten nicht.«
    »Und dann?«
    »Nichts weiter. Dann gehen wir oben zurück in den Ort, auf dem Radfahrweg, da ist jetzt kein Verkehr mehr.«
    »Und dann?«
    »Wir denken noch ein bisschen nach und gehen bald schlafen.«
    »Darf ich heute bei dir schlafen?«
    »Das wird Nelson nicht erlauben.«
    »Wie hat Alexander das gemacht?«
    »Hör auf mit diesen dämlichen Fragen. Da ist der Mond, siehst du. Und schau dir die Kirche an. Sie ist weltberühmt.«
    »Aha. Ungefähr so wie Notre Dame?«
    »Ja. Ungefähr so.«
    »Du hast meine Frage nicht beantwortet.«
    »Welche? Was dich angeht oder Alexander?«
    »Beide.«
    »Nelson mochte es auch nicht, dass Alexander zu mir ins Zimmer kommt.«
    »Aber Alexander gehört doch ins Haus.«
    »Na ja, trotzdem. Nelson passt eben auf mich auf. Siehst du hier, das ist ein Riesenfeld mit Kartoffeln. Als ich herkam, haben sie noch geblüht.« Sie wies mit der Hand auf das Feld auf der rechten Seite. »Nächsten Monat kann man die ersten ernten. Die Kartoffeln sind hier besonders gut, das liegt am Boden.«
    Sebastian ergriff ihren Arm und zog sie heftig an sich.
    »Hör auf, dich über mich lustig zu machen. Wenn du nichts mehr von mir wissen willst, dann reise ich morgen wieder ab.«
    »Erstens nennt man so was Erpressung, und zweitens wollen wir über den Film reden. Und drittens ist es mir schnuppe, ob du abreist oder nicht.«
    Er fasste sie jetzt mit beiden Händen, legte die Arme fest um sie, doch Nelson schien das auch nicht zu gefallen. Er stieß einen kurzen Beller aus.
    »Ich werde hier gut bewacht, wie du siehst. Komm, lass uns weitergehen. Nun wird es langsam doch ein wenig dunkler. Und der Mond versinkt auch. Und wenn Nelson nicht erlaubt, dass du in mein Zimmer kommst,
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