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Künstlerpech: Palzkis achter Fall

Künstlerpech: Palzkis achter Fall

Titel: Künstlerpech: Palzkis achter Fall
Autoren: Harald Schneider
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aufgeladenes Handy mitzuführen. Bestimmt rief mal wieder meine Schwiegermutter an, um uns fernmündlich wertvolle Erziehungstipps zu geben. Aber es war Jutta, meine Kollegin.
    »Hallo, Reiner«, begrüßte sie mich. »Kannst du bitte zu uns kommen? Wir hätten da einen kleinen außerplanmäßigen Einsatz.«
    »Es ist Samstag, liebe Jutta. Wir sind gerade beim Einkaufen. Was gibt es denn so Dringendes? Wurde auf KPD ein Attentat verübt?«
    Mit KPD meinte ich den Dienststellenleiter der Schifferstadter Kriminalinspektion, der mit korrektem Namen Klaus P. Diefenbach hieß.
    Ich hörte am anderen Ende ein verlegenes Hüsteln, bevor sie leise antwortete: »Herr Diefenbach steht direkt neben mir. Wir befinden uns auf der Landstraße in Richtung Dannstadt, etwa 100 Meter vor dem Gräberfeld.«
    Oh Schreck, was konnte da nur passiert sein? Auf jeden Fall musste es von höchster Wichtigkeit sein, sonst würde KPD um diese Jahreszeit sein klimatisiertes Büro niemals verlassen. Mit den rund 30 keltischen Grabhügeln aus der Hallstadtzeit konnte es nichts zu tun haben, die waren immerhin 2.500 Jahre alt. Mir kam ein anderer Gedanke. Hatte man KPD vielleicht in einer verfänglichen Situation angetroffen? Das wäre nicht das erste Mal. Erst an Fasnacht hatte ich per Zufall ein äußerst delikates Geheimnis meines Vorgesetzten gelüftet. Ja, das musste es sein, deshalb auch der Anruf von Jutta. Sie brauchte Verstärkung.
    Spontanität war gefordert, ich fuhr los. Stefanie würde ich unterwegs mit dem Handy anrufen und außerdem war es noch früh am Tag. Die Supermärkte würden uns nicht davonlaufen.
    Ich fuhr gerade am Schifferstadter Wasserturm vorbei in Richtung Umgehungsstraße, da schreckte ich erneut auf: Meine Trommelfelle drohten zu platzen, ein Höllenlärm durchdrang das Fahrzeuginnere. Mit offenem Mund starrte ich durch den Rückspiegel nach hinten in den Fond. Ich hatte Lisa vergessen, Lars’ Zwillingsschwester.
    »Ja was hat denn meine Kleine, dududu?«, versuchte ich sie mit zartestmöglicher Vaterstimme zu beruhigen. »Vermisst du deinen Bruder? Keine Angst, der braucht nur eine frische Windel. Nachher kannst du wieder mit ihm um die Wette schreien, dududu.«
    Es nützte nichts. Sie schrie weiter, als würde jeden Moment die Welt untergehen. Was sollte ich nur tun? Weiterfahren dürfte wenig Sinn machen. Man würde mich, wenn ich mit einem schreienden Baby auftauchen würde, sofort zur Polizeipuppenbühne versetzen. Zurückfahren zu Stefanie? Das würde nur endlose Diskussionen auslösen. Selbst ist der Mann, dachte ich und bog kurz nach dem Ortsschild links in einen asphaltierten Feldweg ein, der zu einem Unternehmen führte, und hielt an. In dem Moment, in dem ich die Tür neben Lisas Sitz öffnete, traf mich fast der Schlag. Etwas Breiartiges drückte sich bereits durch den Bund der sommerlich kurzen Hosen auf ihre Beine. Meine Tochter musste die Windel gesprengt haben.
    Es half alles nichts. Lisa würde an ihrem Geschrei in kürzester Zeit ersticken. Erste Hilfe war angesagt. Ich schnallte meine Tochter ab und fast erbrach ich, als ich mich dazu über sie beugen musste.
    Gut, dass ich unmittelbar nach der Geburt einen neuen Dienstwagen bekommen hatte. In den Minivan passte nicht nur unsere sechsköpfige Großfamilie, und wenn es sein musste, sogar noch die Schwiegermutter, er hatte auch eine ebene Ladefläche in rückenschonender Hüfthöhe. Ich öffnete den Kofferraum und legte Lisa auf die Ladefläche. Die Situation entwickelte sich zu einer der größten Herausforderungen in meinem bisherigen Leben, vom Rosenkohlessen mal abgesehen. Doch auch dieses Problem meisterte ich durch unendlichen Ideenreichtum. Ich öffnete den Erste-Hilfe-Koffer und zog mir die Einmalhandschuhe über.
    Die Beschreibung der folgenden Minuten erspare ich Ihnen, liebe Leserin und lieber Leser sowie mir. Nichts soll mich an die bräunsten Minuten meines Lebens erinnern.
    Nur soviel: Unter Einsatz fast des kompletten Inhalts des Erste-Hilfe-Koffers gelang es mir, meine Tochter halbwegs zu säubern. Mangels Windel und frischer Kleidung schlug ich den Körper des kleinen Mädchens in zwei Dreieckstücher und den Rest des Verbandmulls ein. Wie ich es auch immer anstellte, das Zeug hielt nicht und verrutschte wieder. Blöd war, dass ich die Rolle mit dem Klebepflaster, die normalerweise in den Kästen lag, vorgestern für die Reparatur des Rasenmähergriffs benutzt hatte. Ich wollte schon aufgeben und einen Notruf absetzen, da hatte ich
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