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Kubu und der Tote in der Wueste

Kubu und der Tote in der Wueste

Titel: Kubu und der Tote in der Wueste
Autoren: Michael Stanley
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Khumanego klopfte auf die Röhre. Eine kleine weiße Spinne krabbelte heraus und blieb auf dem heißen Sand sitzen.
    »Diese Spinne«, flüsterte Khumanego, »kennt die Wüste. Sie gräbt ein Loch und befestigt mit ihren Spinnfäden die Wände aus Sand. Sie baut sich ein Haus unter der Oberfläche, wo es nicht so heiß ist. Sie lauscht und lauscht, und wenn sie Schritte auf dem Sand hört, öffnet sie die Tür, springt heraus, schnappt sich ihre Beute und schleppt sie in ihr Heim. Sie taucht auf und verschwindet, ehe das Insekt sich versieht. Eine sehr kluge Spinne. Du weißt nicht, dass sie da ist, dabei ist sie sehr gefährlich.«
    Kubu begriff, dass die Spinne und die Lithops auf dieselbe Art und Weise überlebten – sie verhielten sich unauffällig und verschmolzen mit ihrer Umgebung.
    Den größten Eindruck aber hinterließ die Erfahrung, dass er auf einmal so viel sah, obwohl es auf den ersten Blick so wenig zu sehen gab. Khumanego hatte ihn gelehrt, die Augen zu öffnen und zu erkennen, was vor ihm lag. »Die Schwarzen sehen nichts«, hatte Khumanego gesagt. »Und die Weißen wollen nichts sehen.«
    Als Kubu an jenem Nachmittag nach Hause zurückkehrte, schwor er sich, nie wieder blind durchs Leben zu gehen. Von diesem Tag an zwang er sich dazu, aufmerksam zu sein, zu sehen, was andere nicht sahen, und hinter die Kulissen zu blicken.
    Ein Streifen Wellblech auf der Straße riss Kubu aus seinen Gedanken. Er hatte Khumanego viel zu verdanken, ihn seit einigen Jahren aber nicht mehr gesehen. Er sollte sich nach ihm erkundigen, besonders in Anbetracht der Spannungen zwischen der Regierung und dem Volk der Buschleute. Kubu seufzte. Warum konnten die Menschen einander nicht respektieren? Warum mussten sie sich ständig an die Gurgel gehen?
    Kubu folgte weiter der heißen, sandigen Straße und hinterließ dabei eine lange Staubfahne in der windstillen Luft. Ein Glück, dass ihm kein Auto vorausfuhr.
    Er dachte über den Anlass seiner Reise nach. Ein Ranger und ein Wissenschaftler hatten eine Leiche gefunden, ihrer Meinung nach die eines weißen Mannes, angefressen von einer Hyäne. Er wunderte sich, dass kein Weißer als vermisst gemeldet worden war, sondern nur wie üblich ein paar Schwarze, die vermutlich nach Südafrika gegangen waren, in der vergeblichen Hoffnung, dort ihr Glück zu machen. Der Ranger und der Wissenschaftler hatten auch Reifenspuren gemeldet. Vielleicht konnte die Spurensicherung die Abdrücke sichern und das Profil analysieren, aber das war unwahrscheinlich. Der Wind würde solche Spuren verändert haben.
    Eine Stunde später fuhr Kubu auf Dale’s Camp zu. Neben dem hölzernen Eingangsschild mit den eingebrannten Buchstaben hing ein Tor aus galvanisiertem Stahl über einem Viehgitter. Kubu hielt an. Er hörte keine Vögel, nur das ständige Zirpen der Grillen in der drückenden Hitze. Kubu widerstrebte es irgendwie, das Tor zu öffnen – der Busch jenseits davon sah kein bisschen anders aus als auf seiner Seite, und dennoch fühlte er sich unwillkommen – als lauerten dort Geheimnisse, deren Enthüllung teuer zu stehen kommen würde.
    Kubu hielt einen Moment inne und ließ das Gefühl auf sich wirken. Er hatte gelernt, auf Vorahnungen zu vertrauen. Dann zuckte er mit den Achseln und öffnete das Tor. Er fuhr durch, hielt auf der anderen Seite, schloss das Tor und fuhr weiter bis zur Rezeption. Drei Angestellte in Livree eilten mit breitem Lächeln auf ihn zu, öffneten seine Wagentür und wollten ihm mit dem Gepäck helfen. Sie wirktenüberrascht, weil er kein Weißer war. Kubu winkte ab. Sein Übernachtungsgepäck konnte er selbst tragen. Sie zogen sich zurück, breit lächelnd, aber enttäuscht, weil kein Trinkgeld zu verdienen war.
    Einige Augenblicke später stand Kubu in einem großen, mit Stroh überdachten offenen Raum, dekoriert mit Kudu- und Elengehörnen sowie einem riesigen Elefantenschädel in der Ecke. Tierfiguren aus Seifenstein standen überall auf dem Boden und auf den Tischen. Kubu blieb unter einem der Deckenventilatoren stehen, die mühevoll für Kühlung sorgten, und seufzte vor Erleichterung. Er blickte sich um und stellte fest, dass der Speisesaal ebenfalls überdacht war, aber durch die offene Bauweise Ausblick auf die Liegestühle rund um den Pool bot. Kubu raffte sich auf und ging zum Empfang, der aus einem dicken, mit Bambus verkleideten Stück Mopaneholz bestand. Der Designer-Afrikabusch-Look, dachte er.
    »Ich bin Assistant Superintendent Bengu«, stellte sich
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