Kronhardt
er, hätte Sport nie begeistert, und auch Willem sei keine Kanone. Anstatt den Jungen mit etwas zu bestrafen, was ihm von vornherein nicht läge, solle man doch besser seine Neigungen fördern.
So saà Kronhardt und drückte an der Frau, die er nach dem Tod seines Bruders geheiratet hatte. Näherte sich ihrem Geruch, ihrer Haut.
Völkerball, rief sie. Vielleicht wäre das etwas.
Kronhardt lächelte und drückte. Was für eine wundervolle Frau du bist, sagte er. Was für eine wunderbare Mutter, und endlich spürte er, wie ihr Körper nachgab. Und dieses Nachgeben dieser Frau in seinen Armen machte ihn stolz. Ein tausendjähriger Traum, fleischgeworden an seiner Brust, und so nutzte er diesen seltenen Moment ihrer Weichheit und langte in ihr Fleisch.
Sie schob ihn weg. Völkerball. Irgendwie müsse man dem Jungen ja die Flausen austreiben.
Er lächelte und näherte sich wieder an. Was seien das schon für Flausen; nur weil der Junge ein paarmal Blutwurst gegen Aal getauscht habe, sei doch nichts verloren. Im Gegenteil, gerade das Gefühl, geführt zu werden und dieser Führung zu entwischen, sei förderlich für den Jungen. Kontrollierte Freiheit, sagte er, das habe bislang doch prima funktioniert. Man brauche sich den Jungen doch nur anzusehen: eine Wucht, sagte er, ganz wie die Mutter, und so langte er wieder in die Frau.
Und Willem wurde in keinen Verein gesteckt.
Was aber nicht hieà â und da lieà die Mutter sich nicht erweichen â, daà Willems hinterhältiger Tauschhandel ohne Folgen blieb. Nichtwahr, er hatte ihr Vertrauen miÃbraucht, und um wieder dahin zu kommen, wo sie mal gewesen waren, muÃte er Wiedergutmachung leisten. Erst wenn sie sicher sein könne, daà er Einsicht, ja Schmerz über die eigene Schuld entwickelt hätte, werde sie vielleicht über eine Rückkehr zu alten Freizügigkeiten nachdenken. Meine Güte, sie würde ja ihres Lebens nicht mehr froh, wenn sie keine MaÃnahmen ergriffe gegen seinen Mutwillen; nicht auszudenken, wenn er ihretwegen vollends entgleise.
Reue und Reparation, das war also die Abmachung. Doch keine Frage, diese Abmachung würde nichtig, sobald erneut Klagen kämen oder Willems Leistungen nachlieÃen. Und um ihre Ansprüche zu untermauern, kontrollierte sie all seine Aufgaben noch strenger; sie telefonierte regelmäÃig mit Fräulein von Weyer und auch mit der Mutter vom dicken Siegfried.
Kronhardt, wie gesagt, schien nachsichtiger.
Manchmal legte er ein Wort für Willem ein oder verriet, wie die Mutter in einer Sache umzustimmen war. Und als Willem nach einem Ausweis für die Leihbücherei fragte, überging Kronhardt glattweg die eingefleischte Autorität, und ohne seine Frau zu fragen, sagte er: Na sicher, Junge.
Tatsächlich jedoch steckte Absicht hinter seiner Milde. Und auch das Kumpelhafte, wenn er den Jungen aus dem Büro der Mutter lotste, drauÃen dann ordentlich durchschnaufte und ihm zuzwinkerte, war zuletzt nur ZweckmäÃigkeit. Denn tatsächlich wollte Kronhardt den Jungen, um ein Bild von sich selber zu sehen. Um die eigene GröÃe aus dem staunenden Blick des Jungen heraus zu sehen, und so tätschelte er den kleinen Kopf und stolzierte voran.
Willem steckte im Sog der langen Schritte. Sie verlieÃen das Zwischengeschoà mit den Büroräumen und nahmen die Wendeltreppe abwärts. Der kalte Handlauf spulte, die Eisenstufen verrieten Freude und Energie ihrer Schritte, und unten, vor der feuerfesten Tür, schlüpften beide in ihre Kittel. Willem in die Miniaturanfertigung und Kronhardt in sein extra langes Modell, gestärkt, geplättet, ein hierarchisches Weià mit groÃen Taschen, in denen das Besteck des Spezialisten klemmte.
Bevor sie in die Produktion gingen, steckte der Alte sein Halstuch zurecht, dann musterte er den Jungen aus seiner Höhe; zupfte und strich, und Willem war darauf bedacht, alle Erwartungen zu erfüllen. Hinter der Tür war bereits das Rattern der Maschinen zu hören, und diesseits stand in leuchtendem Rot geschrieben: Bremer-Stickerei-Manufactur. Nur autorisierter Zugang. Es war eine makellose Aufschrift, gestochene Fraktur, die auf Anhieb alle Anforderungen des Geschäfts offenbarte. Willem hatte früh gelernt, daà diese Aufschrift noch von der Hand seines GroÃvaters stammte; daà dieser Mann das Geschäft gegründet hatte und in jeder Hinsicht ein
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