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Kritik der praktischen Vernunft

Kritik der praktischen Vernunft

Titel: Kritik der praktischen Vernunft
Autoren: Immanuel Kant
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Besorgnis des Rückfalls, nur mit Mühe erhalten kann. Mit einem Worte, das moralische Gesetz verlangt Befolgung aus Pflicht, nicht aus Vorliebe, die man gar nicht voraussetzen kann und soll.
    Laßt uns nun im Beispiele sehen, ob in der Vorstellung einer Handlung als edler und großmütiger Handlung mehr subjektiv bewegende Kraft einer Triebfeder liege, als, wenn diese bloß als Pflicht in Verhältnis auf das ernste moralische Gesetz vorgestellt wird. Die Handlung, da jemand, mit der größten Gefahr des Lebens, Leute aus dem Schiffbruche zu retten sucht, wenn er zuletzt dabei selbst sein Leben einbüßt, wird zwar einerseits zur Pflicht, andererseits aber und größtenteils auch für verdienstliche Handlung angerechnet, aber unsere Hochschätzung derselben wird gar sehr durch den Begriff von Pflicht gegen sich selbst , welche hier etwas Abbruch zu leiden scheint, geschwächt. Entscheidender ist die großmütige Aufopferung seines Lebens zur Erhaltung des Vaterlandes, und doch, ob es auch so vollkommen Pflicht sei, sich von selbst und unbefohlen dieser Absicht zu weihen, darüber bleibt einiger Skrupel übrig, und die Handlung hat nicht die ganze Kraft eines Musters und Antriebes zur Nachahmung in sich. Ist es aber unerlaßliche Pflicht, deren Übertretung das moralische Gesetz an sich und ohne Rücksicht auf Menschenwohl verletzt, und dessen Heiligkeit gleichsam mit Füßen tritt, (dergleichen Pflichten man Pflichten gegen Gott zu nennen pflegt, weil wir uns in ihm das Ideal der Heiligkeit in Substanz denken,) so widmen wir der Befolgung desselben, mit Aufopferung alles dessen, was für die innigste aller unserer Neigungen nur immer eignen Wert haben mag, die allervollkommenste Hochachtung, und wir finden unsere Seele durch ein solches Beispiel gestärkt und erhoben, wenn wir an demselben uns überzeugen können; daß die menschliche Natur zu einer so großen Erhebung über alles, was Natur nur immer an Triebfedern zum Gegenteil aufbringen mag, fähig sei. Juvenal stellt ein solches Beispiel in einer Steigerung vor, die den Leser die Kraft der Triebfeder, die im reinen Gesetze der Pflicht, als Pflicht, steckt, lebhaft empfinden läßt:
    Esto bonus miles, tutor bonus, arbiter idem
Integer; ambiguae si quando citabere testis
Incertaeque rei, Phalaris licet imperet, ut sis
Falsus, et admoto dictet periuria tauro,
Summum crede nefas animam praeferre pudori,
Et propter vitam vivendi perdere causas.
    Wenn wir irgend etwas Schmeichelhaftes vom Verdienstlichen in unsere Handlung bringen können, dann ist die Triebfeder schon mit Eigenliebe etwas vermischt, hat also einige Beihilfe von der Seite der Sinnlichkeit. Aber der Heiligkeit der Pflicht allein alles nachsetzen, und sich bewußt werden, daß man es könne , weil unsere eigene Vernunft dieses als ihr Gebot anerkennt, und sagt, daß man es tun solle , das heißt sich gleichsam über die Sinnenwelt selbst gänzlich erheben, und ist in demselben Bewußtsein des Gesetzes, auch als Triebfeder eines die Sinnlichkeit beherrschenden Vermögens, unzertrennlich, wenn gleich nicht immer mit Effekt, verbunden, der aber doch auch, durch die öftere Beschäftigung mit derselben, und die anfangs kleinern Versuche ihres Gebrauchs, Hoffnung zu seiner Bewirkung gibt, um in uns nach und nach das größte, aber reine moralische Interesse daran hervorzubringen.
    Die Methode nimmt also folgenden Gang. Zuerst ist es nur darum zu tun, die Beurteilung nach moralischen Gesetzen zu einer natürlichen, alle unsere eigenen, sowohl als die Beobachtung fremder freier Handlungen begleitenden Beschäftigung und gleichsam zur Gewohnheit zu machen, und sie zu schärfen, indem man vorerst fragt, ob die Handlung objektiv dem moralischen Gesetze , und welchem, gemäß sei; wobei man denn die Aufmerksamkeit auf dasjenige Gesetz, welches bloß einen Grund zur Verbindlichkeit an die Hand gibt, von dem unterscheidet, welches in der Tat verbindend ist (leges obligandi a legibus obligantibus), (wie z.B. das Gesetz desjenigen, was das Bedürfnis der Menschen im Gegensatze dessen, was das Recht derselben von mir fordert, wovon das Letztere wesentliche, das Erstere aber nur außerwesentliche Pflichten vorschreibt,) und so verschiedene Pflichten, die in einer Handlung zusammenkommen, unterscheiden lehrt. Der andere Punkt, worauf die Aufmerksamkeit gerichtet werden muß, ist die Frage: ob die Handlung auch (subjektiv) um des moralischen Gesetzes willen geschehen, und also sie nicht allein sittliche Richtigkeit, als
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