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Kritik der praktischen Vernunft

Kritik der praktischen Vernunft

Titel: Kritik der praktischen Vernunft
Autoren: Immanuel Kant
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Tat, sondern auch sittlichen Wert, als Gesinnung, ihrer Maxime nach habe. Nun ist kein Zweifel, daß diese Übung, und das Bewußtsein einer daraus entspringenden Kultur unserer bloß über das Praktische urteilenden Vernunft, ein gewisses Interesse, selbst am Gesetze derselben, mithin an sittlich guten Handlungen nach und nach hervorbringen müsse. Denn wir gewinnen endlich das lieb, dessen Betrachtung uns den erweiterten Gebrauch unserer Erkenntniskräfte empfinden läßt, welchen vornehmlich dasjenige befördert, worin wir moralische Richtigkeit antreffen; weil sich die Vernunft in einer solchen Ordnung der Dinge mit ihrem Vermögen, a priori nach Prinzipien zu bestimmen was geschehen soll, allein gut finden kann. Gewinnt doch ein Naturbeobachter Gegenstände, die seinen Sinnen anfangs anstößig sind, endlich lieb, wenn er die große Zweckmäßigkeit ihrer Organisation daran entdeckt, und so seine Vernunft an ihrer Betrachtung weidet, und Leibniz brachte ein Insekt, welches er durchs Mikroskop sorgfältig betrachtet hatte, schonend wiederum auf sein Blatt zurück, weil er sich durch seinen Anblick belehrt gefunden, und von ihm gleichsam eine Wohltat genossen hatte.
    Aber diese Beschäftigung der Urteilskraft, welche uns unsere eigenen Erkenntniskräfte fühlen läßt, ist noch nicht das Interesse an den Handlungen und ihrer Moralität selbst. Sie macht bloß, daß man sich gerne mit einer solchen Beurteilung unterhält, und gibt der Tugend, oder der Denkungsart nach moralischen Gesetzen, eine Form der Schönheit, die bewundert, darum aber noch nicht gesucht wird (laudatur et alget); wie alles, dessen Betrachtung subjektiv ein Bewußtsein der Harmonie unserer Vorstellungskräfte bewirkt, und wobei wir unser ganzes Erkenntnisvermögen (Verstand und Einbildungskraft) gestärkt fühlen, ein Wohlgefallen hervorbringt, das sich auch andern mitteilen läßt, wobei gleichwohl die Existenz des Objekts uns gleichgültig bleibt, indem es nur als die Veranlassung angesehen wird, der über die Tierheit erhabenen Anlage der Talente in uns inne zu werden. Nun tritt aber die zweite Übung ihr Geschäft an, nämlich in der lebendigen Darstellung der moralischen Gesinnung an Beispielen, die Reinigkeit des Willens bemerklich zu machen, vorerst nur als negativer Vollkommenheit desselben, so fern in einer Handlung aus Pflicht gar keine Triebfedern der Neigungen als Bestimmungsgründe auf ihn einfließen; wodurch der Lehrling doch auf das Bewußtsein seiner Freiheit aufmerksam erhalten wird; und obgleich diese Entsagung eine anfängliche Empfindung von Schmerz erregt, dennoch dadurch, daß sie jenen Lehrling dem Zwange selbst wahrer Bedürfnisse entzieht, ihm zugleich eine Befreiung von der mannigfaltigen Unzufriedenheit, darin ihn alle diese Bedürfnisse verflechten, angekündigt, und das Gemüt für die Empfindung der Zufriedenheit aus anderen Quellen empfänglich gemacht wird. Das Herz wird doch von einer Last, die es jederzeit ins geheim drückt, befreit und erleichtert, wenn an reinen moralischen Entschließungen, davon Beispiele vorgelegt werden, dem Menschen ein inneres, ihm selbst sonst nicht einmal recht bekanntes Vermögen, die innere Freiheit , aufgedeckt wird, sich von der ungestümen Zudringlichkeit der Neigungen dermaßen loszumachen, daß gar keine, selbst die beliebteste nicht, auf eine Entschließung, zu der wir uns jetzt unserer Vernunft bedienen sollen, Einfluß habe. In einem Falle, wo ich nur allein weiß, daß das Unrecht auf meiner Seite sei, und obgleich das freie Geständnis desselben, und die Anerbietung zur Genugtuung an der Eitelkeit, dem Eigennutze, selbst dem sonst nicht unrechtmäßigen Widerwillen gegen den, dessen Recht von mir geschmälert ist, so großen Widerspruch findet, dennoch mich über alle diese Bedenklichkeiten wegsetzen kann, ist doch ein Bewußtsein einer Unabhängigkeit von Neigungen und von Glücksumständen, und der Möglichkeit sich selbst genug zu sein, enthalten, welche mir überall auch in anderer Absicht heilsam ist. Und nun findet das Gesetz der Pflicht, durch den positiven Wert, den uns die Befolgung desselben empfinden läßt, leichteren Eingang durch die Achtung für uns selbst im Bewußtsein unserer Freiheit. Auf diese, wenn sie wohl gegründet ist, wenn der Mensch nichts stärker scheuet, als sich in der inneren Selbstprüfung in seinen eigenen Augen geringschätzig und verwerflich zu finden, kann nun jede gute sittliche Gesinnung gepfropft werden; weil dieses der beste, ja
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