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Kritik der praktischen Vernunft

Kritik der praktischen Vernunft

Titel: Kritik der praktischen Vernunft
Autoren: Immanuel Kant
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Vermögen der Spekulation nicht so gut bestellt. Diejenigen, welche sich solcher hohen Erkenntnisse rühmen, sollten damit nicht zurückhalten, sondern sie öffentlich zur Prüfung und Hochschätzung darstellen. Sie wollen beweisen ; wohlan! so mögen sie denn beweisen, und die Kritik legt ihnen, als Siegern, ihre ganze Rüstung zu Füßen. Quid statis? Nolint. Atqui licet esse beatis. – Da sie also in der Tat nicht wollen, vermutlich weil sie nicht können, so müssen wir jene doch nur wiederum zur Hand nehmen, um die Begriffe von Gott, Freiheit und Unsterblichkeit , für welche die Spekulation nicht hinreichende Gewährleistung ihrer Möglichkeit findet, in moralischem Gebrauche der Vernunft zu suchen und auf demselben zu gründen.
    Hier erklärt sich auch allererst das Rätsel der Kritik, wie man dem übersinnlichen Gebrauche der Kategorien in der Spekulation objektive Realität absprechen , und ihnen doch, in Ansehung der Objekte der reinen praktischen Vernunft, diese Realität zugestehen könne; denn vorher muß dieses notwendig inkonsequent aussehen, so lange man einen solchen praktischen Gebrauch nur dem Namen nach kennt. Wird man aber jetzt durch eine vollständige Zergliederung der letzteren inne, daß gedachte Realität hier gar auf keine theoretische Bestimmung der Kategorien und Erweiterung des Erkenntnisses zum Übersinnlichen hinausgehe, sondern nur hierdurch gemeinet sei, daß ihnen in dieser Beziehung überall ein Objekt zukomme; weil sie entweder in der notwendigen Willensbestimmung a priori enthalten, oder mit dem Gegenstande derselben unzertrennlich verbunden sind, so verschwindet jene Inkonsequenz; weil man einen andern Gebrauch von jenen Begriffen macht, als spekulative Vernunft bedarf. Dagegen eröffnet sich nun eine vorher kaum zu erwartende und sehr befriedigende Bestätigung der konsequenten Denkungsart der spekulativen Kritik darin, daß, da diese die Gegenstände der Erfahrung, als solche, und darunter selbst unser eigenes Subjekt, nur für Erscheinungen gelten zu lassen, ihnen aber gleichwohl Dinge an sich selbst zum Grunde zu legen, also nicht alles Übersinnliche für Erdichtung und dessen Begriff für leer an Inhalt zu halten, einschärfte: praktische Vernunft jetzt für sich selbst, und ohne mit der spekulativen Verabredung getroffen zu haben, einem übersinnlichen Gegenstande der Kategorie der Kausalität, nämlich der Freiheit , Realität verschafft, (obgleich, als praktischem Begriffe, auch nur zum praktischen Gebrauche,) also dasjenige, was dort bloß gedacht werden konnte, durch ein Faktum bestätigt. Hierbei erhält nun zugleich die befremdliche, obzwar unstreitige, Behauptung der spekulativen Kritik, daß sogar das denkende Subjekt ihm selbst , in der inneren Anschauung , bloß Erscheinung sei , in der Kritik der praktischen Vernunft auch ihre volle Bestätigung, so gut, daß man auf sie kommen muß, wenn die erstere diesen Satz auch gar nicht bewiesen hätte 2 .
    Hierdurch verstehe ich auch, warum die erheblichsten Einwürfe wider die Kritik, die mir bisher noch vorgekommen sind, sich gerade um diese zwei Angel drehen: nämlich einerseits im theoretischen Erkenntnis geleugnete und im praktischen behauptete objektive Realität der auf Noumenen angewandten Kategorien, andererseits die paradoxe Forderung, sich als Subjekt der Freiheit zum Noumen, zu gleich aber auch in Absicht auf die Natur zum Phänomen in seinem eigenen empirischen Bewußtsein zu machen. Denn, so lange man sich noch keine bestimmten Begriffe von Sittlichkeit und Freiheit machte, konnte man nicht erraten, was man einerseits der vorgeblichen Erscheinung als Noumen zum Grunde legen wolle, und andererseits, ob es überall auch möglich sei, sich noch von ihm einen Begriff zu machen, wenn man vorher alle Begriffe des reinen Verstandes im theoretischen Gebrauche schon ausschließungsweise den bloßen Erscheinungen gewidmet hätte. Nur eine ausführliche Kritik der praktischen Vernunft kann alle diese Mißdeutung heben, und die konsequente Denkungsart, welche eben ihren größten Vorzug ausmacht, in ein helles Licht setzen.
    So viel zur Rechtfertigung, warum in diesem Werke die Begriffe und Grundsätze der reinen spekulativen Vernunft, welche doch ihre besondere Kritik schon erlitten haben, hier hin und wieder nochmals der Prüfung unterworfen werden, welches dem systematischen Gange einer zu errichtenden Wissenschaft sonst nicht wohl geziemet (da abgeurteilte Sachen billig nur angeführt und nicht wiederum in
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