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Krautfunding: Deutschland entdeckt die Dankeschön-Ökonomie (German Edition)

Krautfunding: Deutschland entdeckt die Dankeschön-Ökonomie (German Edition)

Titel: Krautfunding: Deutschland entdeckt die Dankeschön-Ökonomie (German Edition)
Autoren: Ansgar Warner
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Grund für den Erfolg solcher Direktspenden-Aktionen liegt auf der Hand. Die Zahl der potentiellen Geldgeber ist dabei weitaus größer als die Gruppe der organisierten Crowdfunder. Flattr mag in Deutschland vielleicht zwischen zehn und zwanzigtausend Mitglieder haben. Ein PayPal-Account besitzen hierzulande dagegen schon mehr als 20 Millionen Menschen, und fast jeder zweite Bundesbürger verfügt über eine Kreditkarte.
Doch auch so erreicht man nicht alle deutschen Web-Nutzer. Die EHI-Studie „Online-Payment 2012“ brachte an den Tag: bei Online-Geschäften steht die Zahlung per Rechnung oder Lastschrift mit knapp 40 Prozent noch weit vorne, gefolgt von Kreditkarte (16,9 Prozent), PayPal oder der Online-„Sofortüberweisung“. Das heißt: fast jeder zweite Deutsche greift immer noch auf traditionelle Verfahren zurück, die es bereits vor dem World Wide Web gab. Um beim Krautfunding die kritische Masse zu erreichen, reicht also der Weg über PayPal oder Kreditkarte alleine nicht aus.
    „taz zahl ich“
    Die Rudi-Dutschke-Straße in Berlin-Kreuzberg ist Schauplatz für einen Clash der Zeitungs-Kulturen – auch, was Paid Content-Strategien betrifft. An einem Ende Springer, am anderen Ende taz. Bei der alternativen Tageszeitung kommen seit Beginn der „taz-zahl-ich“-Kampagne im Jahr 2011 Gewinne herein, von denen andere Blätter nur träumen können: die Leser von taz.de spenden freiwillig für die Online-Inhalte. Springer-Chef Döpfner hatte zur selben Zeit den forcierten Galopp in Richtung Bezahlschranken angekündigt: „Wir werden 2012 noch entschiedener auf Bezahlinhalte im stationären Web umschwenken“. Als erstes überregionales Blatt traf es die „Die Welt“. Die Inhalte der Online-Ausgabe werden mittlerweile über ein „metered access“-Modell verwertet: Nach 20 kostenlosen Artikeln im Monat bittet man die Leser zur Kasse. Vorbild ist dafür die finanziell klamme New York Times, die schon seit längerer Zeit regelmäßige Besucher des Portals zur Kasse bittet. Bei Springer steckt hinter der Paid Content-Ausweitung natürlich auch die Hoffnung, bereits jetzt kostenpflichtige Apps für Smartphones und Tablets besser vermarkten zu können, wenn es kein Schlupfloch mehr im freien Internet gibt.
    Am anderen Ende der Rudi-Dutschke-Straße denkt man genau andersherum: taz.de soll dauerhaft frei zugänglich und kostenlos bleiben. „Unsere Idee ist, dass man den Leuten erst etwas gibt und sie dann fragt, ob sie dafür bezahlen wollen“, so der damalige taz-Online-Chef Matthias Urbach beim Start von taz-zahl-ich im Jahr 2011. Bezahl-Apps und kostenpflichtige E-Paper-Abos gibt es im taz-Universum zwar auch. Die Website jedoch setzt auf Crowdfunding-Effekte. Am Anfang standen flattr-Buttons, seit dem Start der „taz-zahl-ich“-Kampagne gibt es eine ganze Phalanx an Bezahlformen, von PayPal und Kreditkarte bis zur Handy-Abbuchung. Den wichtigsten Anteil am Spendenkuchen machten aber interessanterweise Lastschrift- und Direktüberweisungen aus, während die flattr-Zahlungen stagnieren. Immer mehr User nutzen die Möglichkeit regelmäßiger Abbuchungen per Lastschrift, wählten also quasi ein freiwilliges Online-Abonnement. Anders als bei flattr oder PayPal fallen bei einer Einzugsermächtigung keine Gebühren an – für viele Spender offenbar ein wichtiges Argument.
    Anfänglich blieb der Erfolg durchaus überschaubar – bei knapp 3.000 Euro pro Monat kam der Gegenwert von 80 regulären Print-Abos bzw. 300 E-Paper-Abos zusammen. Das als PDF, HTML oder epub erhältliche E-Paper verkaufte sich im Vergleich dazu deutlich besser – knapp 3000 Abonnenten brachten der taz ungefähr dieselbe Summe ein, die an Spenden im ganzen Jahr 2011 zusammengekommen war. Im Herbst 2012 schalteten die tazzler dann jedoch den Spenden-Turbo ein – über jedem zehnten Artikel poppte plötzlich eine Pseudo-Paywall auf. Im Unterschied zu echten Bezahlschranken ließ sie sich jedoch wegklicken: „Statt einer Paywall bauen wir also eher eine Pay-wahl“, so taz.de-Redakteurin Aline Lüllmann von taz.de).
    Die „offensiv beworbene Möglichkeit des Zahlens von Kleinbeträgen“ (O-Ton taz.de) zeigte mächtig Wirkung: in wenigen Tagen zückten mehr als 1000 Leser die virtuelle Geldbörse, die monatliche Spendenquote stieg von durchschnittlich 3000 Euro auf über 10.000 Euro. Manchen ging die Aktion jedoch ganz schön auf den Keks, denn die Popup-Paywahl unterschied anfangs nicht zwischen normalen Usern und bereits aktiven
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