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KR071 - Ich sprengte die Mordfirma

KR071 - Ich sprengte die Mordfirma

Titel: KR071 - Ich sprengte die Mordfirma
Autoren: Delfried Kaufmann
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mit einer gewaltigen Glatze und einer hübschen roten Nase, die wie eine Knolle aus seinem Stoppelbart ragte. Er las in einem zerfledderten Schmöker, ohne uns der Beachtung zu würdigen.
    »Können wir ein Zimmer haben, Mister?«, sprach ich ihn an.
    Er reagierte nicht, aber links von der Treppe flog eine Tür auf und ein dürres, weibliches Wesen mit einem Turm schwarzer Haare schoss an uns vorbei. Die Dame ging an uns vorbei, auf den rotnasigen Herren zu, riss ihm das Buch weg und schrie ihm ins Ohr:
    »Bist du wieder völlig taub? Herrschaften sind gekommen! Kunden! Gäste! Du aber sitzt und liest und rührst dich nicht.«
    Sie tat es mit solcher Vehemenz, dass ich glaubte, sie wolle sich uns zu Füßen stürzen. »Señores« jauchzte sie, »willkommen in meinem bescheidenen Hause. Entschuldigen Sie den Trottel. Das Schicksal schlug mich mit ihm. Er ist mein Gatte. Wünschen Sie ein Zimmer? Wünschen Sie zwei Zimmer? Alles können Sie von mir haben. Sie werden sich bei mir fühlen wie im sonnigen Sevilla.«
    Aha, Madame war gebürtige Spanierin. Daher das Temperament.
    Als immerhin älterer Vertreter der Firma Fulton übernahm Phil die Führungsrolle.
    »Wir möchten zwei Zimmer nebeneinander, Madame«, sagte er, »für längere Zeit.«
    »Ich gebe Ihnen die Zimmer in der ersten Etage«, jubelte sie. »Zwei herrliche Apartments, mit allem Komfort. Eines hat sogar fließendes Wasser.«
    Phil gab ihr eine Fünfzig-Dollar-Note, bei deren Anblick sie in neue Verzückung geriet.
    »Adelante, adelante, du Kümmerling«, kreischte sie ihren Gatten an. »Trage den Señores die Koffer hinauf. Zimmer zwei und drei.«
    Sie wirbelte uns voraus die Treppe hinauf, riss die Türen zu den Zimmern auf, die gleich am Ende der Treppe in einem dunklen Gang lagen und lobte die Aussicht, obwohl die Fenster nur einen Blick in einen grauen Hof voller Gerümpel gestatteten, in dessen Mitte ein krüppeliger Baum sein kümmerliches Dasein fristete.
    Überraschenderweise waren die Zimmer selbst leidlich sauber, die Betten mit weißer Wäsche bezogen, in der tatsächlich noch niemand geschlafen hatte, und an den Wänden, die ich mir gründlich und misstrauisch ansah, entdeckte ich keine Blutspuren zerdrückter Wanzen. Endlich wurden wir Señora Castienos los.
    Kaum waren wir allein, brach das mühsam unterdrückte Lachen aus uns heraus. »Madame ist die stürmischste Frau, die ich je sah«, keuchte Phil. »Schade, dass sie nicht drei Jahrzehnte jünger ist.«
    Ich schüttelte mich bei dem Gedanken, und dann kehrten wir zum Ernst des Lebens zurück. Auf dem wackeligen Tisch breitete ich eine Karte von Chicago aus.
    »Teilen wir unsere Reviere ein«, schlug ich vor. Wir machten es einfach. Wir teilten das Schlachthofviertel durch einen senkrechten Strich. Alle Straßen links davon würde ich besuchen, die rechts Phil. Wir verabredeten einen Treffpunkt für jeden Tag zur Mittagsstunde. Wurde die Zeit um eine Stunde überschritten, so galt das als Zeichen, dass etwas passiert war.
    Wir benutzten diesen ersten Tag dazu, unser Jagdrevier kennenzulernen. Man sollte meinen, Orte wie Chicago, New York, Detroit und so weiter seien Großstädte, in denen sich keiner um keinen kümmert, aber das ist nicht so. Auch eine große Stadt besteht aus einzelnen Straßen und jede Straße, mit Ausnahme der großen Geschäftsboulevards, ist ein Dorf für sich, in dem jeder jeden kennt, und wo der Fremde sofort auffällt. Wir jedenfalls fielen auf.
    Die Herumlungerer an den Ecken sahen uns misstrauisch entgegen, die Frauen in den Haustüren blickten uns neugierig nach.
    »Siehst du«, sagte ich leise zu Phil, »wie schwer es hier für einen G-man ist, ungestört seiner Arbeit nachzugehen. Wenn er als Beamter erkannt wird, erfahren es die Leute, die er sucht, sofort. Der Nachrichtendienst in solchen Straßen klappt besser als der beim Militär.«.
    Wir aßen in einem chinesischen Restaurant irgendein Menü, von dem man nie weiß, woraus es besteht, das dennoch ausgezeichnet schmeckt. Um vier Uhr nachmittags erlebten wir, wie die Sirenen der Schlachthäuser Feierabend heulten. Die riesigen Hallen spien gleichzeitig vierzig- oder fünfzigtausend Menschen, zu Fuß, in Autos, auf Motorrädern und in Werksbussen aus. Für eine halbe Stunde waren sämtliche Straßen des Viertels von einem Verkehr erfüllt, wie er schlimmer nicht am Broadway toben konnte. Dann war alles vorbei, aber der Feierabend der Schlachthofarbeiter schien erst das Leben in den grauen Straßen geweckt
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