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KR068 - Ich suchte den Gangster-Chef

KR068 - Ich suchte den Gangster-Chef

Titel: KR068 - Ich suchte den Gangster-Chef
Autoren: Delfried Kaufmann
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ein großer schlanker Mann, dessen schwarze Haare an den Schläfen stark ergraut waren. Seine grauen Augen musterten mich scharf.
    »Nun?« fragte er Phil.
    Phil machte keine großen Geschichten, sondern berichtete schlicht. »Ich benahm mich recht ungeschickt, Chef. Ich wäre erledigt gewesen, wenn dieser Mann hier mich nicht rausgehauen hätte.«
    Mr. High musterte mich, und ich wurde rot.
    »Was taten Sie dort?« fragte er.
    »Ich war der Portier in Brerriks Getränkestube.«
    Ein kleines Erstaunen zeigte sich in seinem Gesicht.
    »Und trotzdem halfen Sie unserem Mann?«
    Ich drehte verlegen den Hut, den Phil mir gepumpt hatte, in den Händen. »Kann nun einmal nicht sehen, wenn viele auf einen losdreschen.«
    Phil grinste seinen Chef an. »Ich glaube, er ist richtig.«
    »Wie heißen Sie?« fragte Mr. High.
    Da war es. Ich mußte es sagen, sogar laut und deutlich: »Jeremias Cotton.«
    Phil brüllte vor Lachen. Mr. High lächelte. »Komischer Name«, sagte er. »An dem Cotton kann man nichts ändern, aber Jeremias? Warum lassen Sie sich nicht Jerry rufen?«
    Ich hätte ihn umarmen können. Er war so freundlich zu mir. Von dieser Stunde an liebte ich ihn, nicht nur, weil er mir einen neuen und besseren Namen gegeben hatte, sondern weil er von Kopf bis Fuß ein feiner Kerl war.
    »Wollen Sie ein G-man werden?«
    Ich nickte. Er begann, mich furchtbar auszufragen, nach Dad, Mom, Harpers Village, Brerriks Bude. Selbst nach Tante Henny fragte er. Als das erledigt war, schien er zufrieden.
    »Jerry«, sagte er, »machen Sie sich keine falschen Vorstellungen von unserem Beruf. Sie können keinen Ruhm und keine Reichtümer bei uns ernten, aber sehr leicht Kugeln und Messerstiche. Sie haben keine Tag- und Nachtruhe mehr. Sie müssen unendlich viele Dinge lernen, von denen jedes einzelne in einem normalen Bezug zu Wohlstand verhelfen könnte, bei uns aber nur zum Fang von Verbrechern dient. Und, Jerry, Sie müssen ein starkes Herz und einen festen Charakter haben. Man wird Ihnen Unsummen anbieten, Summen, mit denen Sie Ihr Leben in Frieden beschließen könnten, aber nichts darf Ihnen soviel wert sein wie die Gerechtigkeit, nicht einmal Ihr eigenes Leben. Wollen Sie immer noch bei uns eintreten?«
    Das war eine verdammt lange Rede, voller rosiger Zukunftsaussichten, aber wenn ich an die Galgengesichter in Brerriks Bude und an Mr. Highs Frau und sein Töchterchen dachte, dann fiel es mir trotzdem nicht schwer, ja zu sagen.
    Mein neuer Chef drückte mir die Hand.
    »Ich muß noch einige Auskünfte über Sie einholen, Jerry«, sagte er. »Morgen wird Phil Sie nach Quantico bringen. Das ist unsere ABC-Schule.« Zu Phil gewandt, meinte er: »Sagen Sie Neville, er soll sich Jerry vorknöpfen.«
    Drei Monate nahm mich Neville in die Mache, schlug mich dreimal täglich k. o., ließ mich jeden Tag rund fünfzig Schuß verschießen, legte mich immer wieder im Jiu-Jitsu aufs Parkett und brachte mich manchmal fast zum Weinen, wenn ich keinen Schlag landen konnte.
    Doch nicht nur Neville quälte mich. Andere G-men-Lehrer paukten mir die Namen und das Aussehen Hunderter von Gangstern ein. Dreihundertvierundsiebzig Schußwaffenmodelle mußte ich auf Anhieb zerlegen und zusammensetzen können. New Yorks Stadtplan ohne Straßenangaben wurde mir vorgelegt, und jede Straße, auf die der Finger meines Lehrers tippte, mußte ich nennen können. Man brachte mir Morsen und Autofahren bei. Man quälte mich mit Gesetzeskunde und Habeas-Corpus-Recht.
    Das tollste war der Schauspielunterricht. Ich lernte, das Benehmen eines Gangster, eines Gentleman, eines Friseurs, eines Professors und so weiter. Hätte Mr. High nicht von Zeit zu Zeit zu mir gesagt: »Es geht gut, Jerry«, ich hätte, weiß Gott, doch noch aufgegeben.
    An einem Montagmorgen ließ mich der Chef rufen.
    »Jerry«, sagte er in seiner ruhigen Art. »Sie sind weit genug. Heute abend will ich mir einmal ansehen, was Sie gelernt haben. Wenn ich zufrieden bin, schicke ich Sie morgen mit Phil.«
    Mir schwoll die Brust vor Stolz. Ich trainierte den ganzen Tag über eifrig. Am Abend gegen sechs Uhr kam Mr. High und brachte Phil Decker mit.
    »Damit es mehr Spaß macht, bringe ich Ihnen Phil als Gegner«, lächelte er.
    Wir kletterten in den Ring. Ja, nun konnte ich endlich Revanche für den Schlag aus meiner Portierszeit nehmen. Phil war einiges leichter als ich, aber sehr schnell. Es dauerte ein paar Minuten, bis ich ihn richtig vor die Flinte bekam, aber dann war er in drei Sekunden groggy
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