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Kotzmotz der Zauberer

Kotzmotz der Zauberer

Titel: Kotzmotz der Zauberer
Autoren: Brigitte Werner
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Sommerluft, dann stupste er den verdatterten Zauberer und zog ihm blitzschnell seine fledermausgrauschwarzen Hosenbeine ein Stückchen länger. Und ehe der Zauberer sich aufsetzen oder aufstehen oder nach ihm schnappen konnte, schlug er einen seiner berühmten Hasenhaken und hüpfte schräg nach vorne, an der bunten Decke vorbei, und jauchzte:
    »Fang mich! Los, mach schon! Krieg mich doch!«
    Und kreischend vor Erwartung rannte er los. Er sprang und raste, er tollte und rollte, weil die Hinterpfoten schneller sein wollten als die Vorderpfoten.
    Und der Zauberer jagte hinter ihm her. Er drehte sich hierhin und dorthin und die langen, schwarzen Ärmel flatterten im Wind wie die Flügel einer bisher unentdeckten Riesenfledermaus aus dem sibirischen Hochland.
    Er schnaufte und japste, er keuchte und jubelte:
    »Pass nur auf, gleich hab ich dich! Ich krieg dich schon!
    Ich kriege dich! Jawoll!« Bis ihm ganz schwindelig wurde und er hin und her schwankte und von weitem aussah wie eine spindeldürre, zerzauste, kellerschwarze, verrückt gewordene Vogelscheuche, die zu fliegen versuchte.
    Aber der kleine Hase und die sehr mutigen Bienen und Libellen in seiner Nähe sahen seine Augen leuchten. Und das frisch geborene, klitzekleine Lächeln im Gesicht des Zauberers war schon ein Stückchen gewachsen und kletterte in seinen Mundwinkeln herum.
    »UNGLAUBLICH!«, summten die Bienen. »UNGLAUBLICH!«, sirrten die Libellen. »UN-GLAUB-LICH!«, schneckelten die langsamen Schnecken.
    »UNGLAUBLICH!«, riefen die Tiere aus der sicheren Entfernung am Rande der Wiese.
    Und ein gewaltiges, freudiges, befreites Aufatmen wuchs durch den Wald. Die Blätter raschelten es von Ast zu Ast, von Baum zu Baum.
    Und der Wind trug es von Halm zu Halm, in jedes Nest, jeden Fuchsbau, jeden Maulswurfshügel, zu jedem winzigen Libellenei, in jede Ecke und Runde.

    Und jede Ameiseund jeder Frosch und alle, selbst die allerkleinste Fliege, jubelten:
    »UNGLAUBLICH!«
    Es entstand ein mächtiger Chor mit tausend, ach was, abertausend Stimmen, selbst die Steine gaben ihren tiefen, schweren Bass dazu.
    Und der Zauberer hörte es. Seine Augen leuchteten, und seine großen Zaubererohren bekamen eine Gänsehaut, und er spürte einen Schauer im Herzen.
    Dann plumpste er auf die Decke und seufzte:
    »Ich kann nicht mehr! GNADE! Bitte, bitte weitermachen! Aber erst später ...«, fügte er noch schnell hinterher, bevor ihm die Luft ausging.
    Der kleine Hase rollte sich zu dem Zauberer auf die Decke
    und kuschelte sich ganz dicht an sein pochendes Herz und plusterte sein zerzaustes Fell in den warmen Wind.
    Und dann spürte der erschöpfte Zauberer etwas Weiches, Kleines auf seinem Bauch und das war warm und atmete. Seine lange, blasse, knochige Zaubererhand hob sich langsam, langsam und suchte vorsichtig und ein wenig über sich selbst erschrocken das kleine, weiche, aufgeplusterte, kugelrunde Etwas und strich unbeholfen und etwas zittrig über das sonnenwarme, zerzauste Fell. Und er spürte das kleine Hasenherz pochen und sein großes Zaubererherz wuchs ihm bis in die Fingerspitzen, die immer sanfter und sanfter wurden.
    Und der Zauberer, der schon gemerkt hatte, dass es schön war, gestreichelt zu werden, merkte nun, dass es genauso schön war, selber zu streicheln. Und so tat er es wieder und immer wieder.

    »GRATULIERE!«, murmelte der kleine Hase, der sich ganz, ganz vorsichtig der großen Hand entgegendrückte. Und der Zauberer flüsterte verwundert:
    »Was meinst du mit GRATULIERE?«
    »Oooh«, flüsterte der Hase zurück, denn auch er traute sich nicht, laut zu reden, um auf gar keinen Fall auch nur
    ein winziges von einem ameisengroßenbisschen dieses wundersamen Augenblicks zu zerstören, der da in den Herzschlägen zwischen ihnen gewachsen war.
    »Du hast gerade etwas ganz, ganz Wichtiges und Besonderes gelernt. GRATULIERE!«, flüsterte er deshalb.
    »Hab ich?«, wunderte sich der Zauberer, der eben beschlossen hatte sich über nichts mehr zu wundern.
    »Hast du!«, flüsterte der kleine Hase mit fester Stimme. »Du hast gerade gelernt dich zu freuen und nett zu sein! HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH!«
    Und er schüttelte mit seiner kleinen, zerzausten Pfote die blasse, große Zaubererhand, die ganz warm und weich geworden war.
    »Und weißt du auch das Allermerkwürdigste?«, fragte der kleine Hase nachdenklich, weil ihm das gerade erst selber auffiel. »Alles, wirklich alles und alle und jede und jeder ist immer, ganz immer und immer ganz nett, wenn er
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