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Kostbar wie ein Tag mit dir - Roman

Titel: Kostbar wie ein Tag mit dir - Roman
Autoren: Susan Fraser
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Badezeug aus und liefen im Schatten der Trauerweiden barfuß die grasige Böschung entlang, hinauf zu den Hochwasserschleusen, wo die Strömung wilde Strudel bildet. Dort sprangen wir lachend und kreischend ins Wasser.
    Das Gesicht zum Himmel gewandt und mit ausgebreiteten Armen, wie Christus am Kreuz, ließen wir uns schnell flussabwärts treiben, etwa zweihundert Meter weit bis zu der größeren, modernen dunkelgrünen Stahlbrücke, die mit ihren roten Halteseilen den Fluss überspannt. In ihrem Schatten schwammen wir drei wie Kinder, Marc, Charlie und ich. Außer uns war niemand im Wasser, obwohl am Ufer mehrere Grüppchen ein Sonnenbad nahmen und picknickten und die französischen Hunde uns wütend anbellten. Wir waren eben Australier, verwegene Australier, die sich in gefährliche Gewässer stürzten.
    So stellte ich es mir gern vor - dass der Fluss uns gehörte, weil wir große, tollkühne Australier waren, die schwimmen konnten wie Ian Thorpe, die gegen den Strom schwimmen konnten.
    »Wie Lachse.« Charlie lachte. »Rosarote Lachse.«

3
 
    W ir meldeten Charlie in der Grundschule an, einer kleinen Landschule, etwa zehn Kilometer von Lherm entfernt. Von außen wirkte sie überraschend nüchtern, ein hässliches Backsteingebäude aus den siebziger Jahren mit einem asphaltierten Schulhof dahinter. Ich hatte mir etwas Romantischeres vorgestellt - etwa ein altes Kloster mit hohen Decken in den Klassenräumen, auf einer großen grünen Wiese mit riesigen Feigenbäumen und üppigen Koppeln im Hinterland. Ich hatte mir ausgemalt, wie ein paar braune Stuten an den Schulzaun galoppiert kamen. Jeden Tag fütterten die Kinder sie mit Äpfeln, und nach der Schule ritten sie ohne Sattel.
    Aber dort gab es keine Pferde.
    Ich wusste, dass die Einschulung das Schwierigste an unserer Übersiedlung sein würde. Auf den ersten Blick sah Charlie zwar wie ein französisches Kind aus, und er hörte sich auch so an, denn er konnte Französisch sprechen. Allerdings konnte er die Sprache weder lesen noch schreiben, und er war anders. Er war Australier, blieb Ausländer, trotz seines französischen Vaters.
    La rentrée, der Beginn des neuen Schuljahrs im September, rückte näher. Es war die verrückte Zeit, zu der alle Franzosen aus den Sommerferien nach Hause strömten und die Autobahnen als staugefährdet klassifiziert wurden, weil Wohnwagen und Autos mit Vierradantrieb und Dachgepäckträgern Stoßstange an Stoßstange fuhren oder standen. Als der Tag X für Charlie gekommen war und ich am Frühstückstisch saß und beobachtete, wie Marc sein Croissant in den Kaffee tunkte und Charlie seine Weet-Bix verschlang, durchfuhr mich der Gedanke: Von jetzt an wird er in der Schulkantine essen, jeden Mittag eine warme Mahlzeit, und ich habe vergessen, ihn vor dem Rinderwahnsinn zu warnen!
    »Charlie, was immer du tust, iss kein Rindfleisch, kein bœuf, okay? Und auch kein Kalbfleisch, das heißt veau, klar? Und keine Spaghetti bolognese. Und Hackfleisch auch nicht, denn das -«
    »Aber Spaghetti bolognese esse ich doch so gerne!«
    Marc warf mir einen Blick zu, als wäre ich selbst ein wahnsinniges Rind. »Annie, s'il te plaît! La vache folle, c'est fini!«
    »O nein, Marc - das ist überhaupt nicht vorbei. Das wollen die französische Regierung und die Fleischindustrie uns doch nur einreden. Das ist wie mit den Jägern!«
    Marcs Croissant platschte in seinen bol, sodass der Kaffee an den Rändern überschwappte. »Mit den Jägern?«
    Ich griff nach dem Baguette und dem Hefeaufstrich, denn ich wollte Charlie ein Sandwich machen, für alle Fälle. »Ja. Die Jäger sind so einflussreich, dass die Regierung in Frankreich niemals gegen die Jagd vorgehen kann ... und mit der Fleischindustrie und dem Rinderwahnsinn ist es doch das Gleiche.«
    »Wie macht denn ein wahnsinniges Rind?«, fragte Charlie kichernd.
    »Charlie, bitte, ich meine das ernst -«
    »Bä-hh!«
    Da wurde mir klar, dass die Themen Verschwörungstheorie und Rinderwahnsinn für den Frühstückstisch viel zu komplex waren. Dafür hatten wir keine Zeit.
    »Iss einfach kein Rindfleisch, Charlie, klar?«
    »Nicht mal Spaghetti bolognese?«
    Wir brachten Charlie gemeinsam zur Schule. Es war nicht wie damals in Sydney, als er in den Kindergarten an der Paddington Public School gekommen war. Wir Eltern hatten uns nervös gackernd zusammengedrängt und unsere Kleinen beobachtet, die in ihren neuen, drei Nummern zu großen Schuluniformen und den glänzenden schwarzen Schuhen wie
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