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Kommissar Stefan Meissner 01 - Eine schoene Leich

Kommissar Stefan Meissner 01 - Eine schoene Leich

Titel: Kommissar Stefan Meissner 01 - Eine schoene Leich
Autoren: Lisa Graf-Riemann
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nicht, sucht wieder mit der rechten Hand, greift hinein, und ein paar Brocken lösen sich, er spürt sie über den Handrücken streichen. Er merkt, wie die Kraft aus seinem Arm weicht. Er hängt ruhig, ohne Bewegung, untersucht den Fels im Schein der Stirnlampe. Entdeckt eine Stelle, nach der er vielleicht greifen könnte. Da merkt er, wie sich der Brocken in seiner Hand bewegt. Der Fels gibt nach, bricht, er findet keinen Halt, fällt wieder hinaus in den dunklen Schacht, den Felsbrocken in der Hand. Er fällt mit den Füßen voran. Das LED -Licht seiner Stirnlampe saust mit steigender Geschwindigkeit nach unten. Es gibt keinen Widerstand mehr.
    Sein Körper durchschneidet die Luft wie ein Schwert. Ein Schrei gellt aus seiner Brust. Wie lange wird er noch fliegen, im Sturzflug wie ein Falke, der auf seine Beute herabstößt? Er ist kein Falke, er hat keine Flügel, er wird sich nicht mehr hinaufschrauben mit der Beute in den Fängen. Oder sind ihm Flügel gewachsen? Wann ist das Ende erreicht? Ist es ein Traum? Wohin? Fallen. Es dauert so lang. Er hat das Gefühl, als beginne sein Körper sich aus der Senkrechten zu drehen. Ein Schwindel, Übelkeit, ich liege, ich muss auf die Füße. Ich muss.
    Milz und Leber sind die ersten Organe, die reißen, der Bauch platzt auf. Der Schädel zerbirst. Das Herz explodiert. Es dauert nur Bruchteile von Sekunden.
    ***
    Sepp Aschenbrenner ist schon vor Sonnenaufgang vom Carl-von-Stahl-Haus über das Hohe Brett zum Göll aufgebrochen. Er liebt diese frühen Aufstiege, wenn er sich die Berge nur mit den Tieren teilen muss, die Jungtiere in den vorbeiziehenden Gamsherden zählen, eine Geiß beim Säugen ihres Kitzes beobachten kann. Später am Tag, wenn die Wanderer kommen, ziehen sich die Tiere in entlegenere Gebiete zurück, und man braucht schon ein Fernglas, wenn man sie so beobachten will, wie Aschenbrenner das am frühen Morgen mit bloßem Auge tun kann.
    Als er am Eistrichter ankommt, ist es bereits taghell. Er erreicht das schmale Felsband, auf dem er an der Randkluft vorbei zum Göll hinaufsteigen will, da sieht er etwas am Boden liegen. Er geht näher heran.
    Es ist ein Klemmkeil. Daran hängt ein kurzes Stück Seil. Aus sicherer Entfernung schaut er über die Randkluft hinunter in den Trichter, kann jedoch nichts erkennen. Er ruft hinunter, bekommt keine Antwort. Es kommt ihm merkwürdig vor, und er verständigt die Bergwacht.
    Sepp Aschenbrenner wartet. Trotz der Anspannung spürt er, dass er Hunger hat. Während er seinen Brotzeitbeutel aus dem Rucksack holt, meint er, ein Luftzug streife ihn oder ein Schatten fliege an ihm vorbei. Er sieht sich um, entdeckt einen Kolkraben, der auf einem benachbarten Felsen landet und ihn stumm beobachtet. Aschenbrenner wirft ihm ein Stück Salami hinüber, und der Vogel fängt es im Flug. Als das Knattern des Hubschraubers näher kommt, ist er verschwunden.

Die Zone, 1. Mai 2010
    Die atlantische Strömung staut sich bewegungslos über dem Hoch, das vom Schwarzen Meer herüberkommt. Der Luftdruck steigt, keine Wolke ist am Himmel zu sehen; ein leichter Wind bewegt sich von Süd-Ost nach Nord-West, wo er sich mit der atlantischen Strömung vereinigt.
    Ideales Flugwetter. Dreißig Mi-6-Militärhubschrauber sind die ganze Nacht bei Scheinwerferlicht geflogen, um den havarierten Reaktorteil zu sichern. Jetzt stehen sie am Boden. Die größten Hubschrauber der Welt, so groß und stark, dass sie mit Lastwagen beladen abheben können. Kaum ist die Sonne über der Ebene aufgegangen, wechseln die Besatzungen. Sie starten. Die Rotoren beginnen sich zu drehen. Wuum, wuum, wuum, die Rotorspitzen erreichen Schallgeschwindigkeit, biegen sich unter der enormen Last nach oben. Gleich werden sich die Stahlriesen wieder in die Luft erheben.
    Wiktor steigt in den Helikopter 17, der nur eine Minute nach Helikopter 15 startet. Mit einem Zehn-Tonnen-Trog am Seil bewegt sich der Hubschrauber zur Abwurfstelle. Links der Kamin, rechts der siebzig Meter hohe Kran und dazwischen die Ruine, in deren Tiefe immer noch die Glut des geschmolzenen Reaktorkerns zu erkennen ist.
    Helikopter 15 wirft seine Last – Blei, Sand, Tonerde – in den Schlund, bevor er nach rechts abdreht, dicht vorbei am Kran. Der große Rotor hat den gelben Ausleger passiert, als der Heckrotor den horizontalen Gittermast des Krans berührt. Der Hubschrauber steigt steil nach oben. Stahlteile fliegen durch die Luft, dann legt er sich zur Seite und stürzt in die Tiefe. Nur noch neunundzwanzig
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