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Kommissar Stefan Meissner 01 - Eine schoene Leich

Kommissar Stefan Meissner 01 - Eine schoene Leich

Titel: Kommissar Stefan Meissner 01 - Eine schoene Leich
Autoren: Lisa Graf-Riemann
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Göllflanke hinauf, die mit einem Stahlseil versichert ist, hört er ein Geräusch hinter sich. Er sieht sich um, kann nichts erkennen, nur viele schwarze Schatten. Ein Stein, den er selbst losgetreten hat.
    Er kennt den Weg, steigt sicher auf. Wenn er sich umdreht und hinuntersieht, starrt ihn nur der leere Felspfad an. Da ist niemand. Außer ein paar Gämsen, die ihn von ihren Nachtplätzen aus gewittert haben. Die Stille trägt jeden Laut. Vielleicht war es nur das Echo seines eigenen Tritts. Nach weiteren zwei Stunden Aufstiegs ist er an seinem Ziel angekommen und findet schließlich im Licht seiner Stirnlampe den orangefarbenen Punkt direkt neben dem Eistrichter, den die drei am Tag davor auf den Fels gesprüht haben. Als er ihnen gefolgt war.
    Er sucht einen Spalt im Fels, in den er einen Keil schlägt; daran hängt er einen Karabiner und das erste Statikseil. Er schlägt einen weiteren Keil ein, um ein zweites Seil zu befestigen. Mit zwei Steigklemmen seilt er sich in die Randkluft ab. Eisbrocken, die sich zwischen Wand und Eis verkeilt haben, versperren ihm den Weg. An seinen Seilen hängend, drischt er mit dem Pickel so lange auf die Hindernisse ein, bis sie sich lösen und nach unten fallen. Er zählt im Geist mit: Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, dann schlagen die großen Eisbrocken auf dem Boden auf. Er steigt weiter hinunter. Das Licht der Stirnlampe reicht nicht aus. Er kann nicht erkennen, was unter ihm ist. Zwischen Fels und Eis schwebend, greift er nach hinten und zieht eine Magnesiumfackel aus der Seitentasche seines Rucksacks. Er schlägt sie mit dem Schlagzünder gegen die Felswand, und ein gleißender Blitz leuchtet den dunklen Raum aus.
    Er sieht, dass der Fels nach hinten weicht und sich direkt unter ihm eine fast eisfreie Schachthöhle öffnet, die so tief ist, dass er ihren Boden trotz der Fackel nicht erkennen kann. Er schätzt, dass das Trichtereis eine Dicke von ungefähr dreißig Metern hat. Aber es gibt kein Hindernis, der Eingang zur Höhle ist begehbar. Er wirft die Fackel in die Höhle hinunter. Sie fällt mindestens hundertfünfzig Meter senkrecht nach unten. Dann weitet sich der Raum, und die Fackel schlägt auf den Boden. Das Licht erlischt augenblicklich, und seine Augen starren in eine Dunkelheit, von der seine schwache Stirnlampe nur einen winzigen Ausschnitt beleuchtet.
    Er muss umkehren. Er hat nicht erwartet, dass es so tief nach unten geht. Er hat gehofft, dass am Ende der Randkluft, nach einigen Metern, ein Felsvorsprung, irgendein begehbarer Weg in einen Höhlengang führen würde. Die Seile, die er dabeihat, sind viel zu kurz. Er muss abbrechen und am nächsten Tag, wenn ihm das Wetter keinen Strich durch die Rechnung macht, mit längeren Seilen wiederkommen.
    Er schiebt die erste Seilklemme nach oben. Wieder ist ihm, als höre er ein Geräusch, das nicht von ihm selbst stammt. Er starrt hinauf in das kleine Stück Nachthimmel über ihm. Im nächsten Moment spürt er eine Bewegung des Seils, eine leichte, unheilvolle Vibration. Er greift ins Seil, will sich hochziehen, und da beginnt er langsam zu begreifen.
    Während ihm die Angst, die auf die glasklare Erkenntnis dessen folgt, was sich dort über ihm abspielt, fast den Brustkasten sprengt, verliert er auch schon den Halt. Ein loses Seilende fällt von oben herab. Er hält sich mit beiden Händen am zweiten Seil fest, spürt auch dort den Widerstand der Seilfasern gegen die unbarmherzig scharfe Klinge eines Messers.
    Mit einem Schrei, der vom Eis und Schnee des Trichters gedämpft, von den Felswänden jedoch vielfach zurückgeworfen wird, stürzt er zusammen mit dem nutzlos gewordenen Seil in die Tiefe. Er schlägt um sich wie ein Tier, gibt noch nicht auf. Versucht, nach irgendetwas zu greifen, einen Felsvorsprung zu erreichen, an dem er sich festhalten könnte, windet sich, lehnt sich gegen das Gesetz der Schwerkraft auf.
    Da bekommt er etwas zu fassen, eine Felsnase. Der Schwung des Sturzes droht ihn fortzureißen, aber er krallt seine Finger um das Stück Stein und wird es nicht mehr loslassen, obwohl es die Hand mit den beiden gebrochenen Fingern ist. Der Schmerz raubt ihm fast die Sinne. Er hängt mit der linken Hand, sucht mit der rechten, aber der Fels zieht sich zurück an der Stelle, und der kleine Vorsprung, den er zu fassen bekommen hat, bietet nicht genügend Fläche für seine andere Hand.
    Er schwingt sich mit den Beinen Richtung Fels, vielleicht kann er einen Fuß einklemmen, aber er erreicht ihn
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