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Kommissar Pascha

Kommissar Pascha

Titel: Kommissar Pascha
Autoren: Su Turhan
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beruhigt. An der Haltestelle Tegernseer Landstraße stieg er aus der Trambahn. Sein Sakko lag über der rechten Schulter. Er wartete an der Fußgängerampel und sah auf der anderen Straßenseite das unansehnliche Gebäude, vor dem etwa zwei Dutzend rauchende Männer standen und sich unterhielten. Als er an ihnen vorbeikam, grüßte er in die Runde mit
»Selam aleikum«
und betrat den Sitz der islamischen Gemeinde. Die Kühle in dem einfach eingerichteten Aufenthaltsraum tat gut. Etwa zehn Männer unterhielten sich auch dort und warteten auf den Beginn des Freitagsgebetes. Eine Verbindungstür führte zum Gebetsraum der Moschee, die nicht groß war, in die aber irgendwie immer alle hineinpassten, die zum Gebet wollten. Sooft Zeki es schaffte, und das war nicht häufig, vollzog er das Gebet am Freitag. Er genoss das spirituelle Gemeinschaftsgefühl. Ein Stück alte Heimat. Ein Stück Kindheit. Auch wenn eine ältere Dame mit ihrem verwirrten Geschrei ihn für kurze Zeit ins Wanken gebracht hatte. Der verpasste Anwaltstermin kam ihm in den Sinn. Er beschloss, Frederike zu einem Abendessen zu überreden, dazu wollte er auch seine Tochter Özlem einladen. Begeistert über die Idee, entledigte er sich im Vorraum seiner schwarzen Halbschuhe und verrichtete die rituelle Waschung, um im Anschluss in den Gebetsraum zu gehen.
    Gegen Ende des Freitagsgebets saß Demirbilek im Schneidersitz auf dem Teppich mit der Gebetskette in der Hand, ganz vertieft in die letzte Sure.
    Das Murmeln der Männer im Gebetsraum wurde plötzlich durch ein zischendes »Pst« gestört. Mit einer Reihe anderer Männer drehte er sich um. Seine Kollegin Isabel Vierkant stand mit provisorisch angelegtem Kopftuch in der Tür und gestikulierte, dass sein Handy aus sei. Da Demirbilek mitten im Gebet war, nahm er sie zwar wahr, ignorierte sie aber geflissentlich, um Allah, auch wenn er Verständnis dafür hätte, nicht zu erzürnen. Er bedeutete ihr, draußen zu warten, brachte sein Gebet zu Ende, erhob sich abrupt und verließ die islamische Gemeinde.
     
    Vor dem Eingang telefonierte Vierkant. Als Demirbilek bei ihr war, beendete sie schnell das Telefongespräch mit Jale. Der Kommissar sah sie scharf an. »Wehe, Sie haben keine Leiche für mich, Vierkant!«
    »Sein Name ist Bülent Kara … Mein Gott, ist das peinlich, ich kann das nicht aussprechen … Jedenfalls ist er ein türkischer Staatsbürger. Vierunddreißig Jahre alt, verheiratet, zwei Kinder. Arbeitslos gemeldet. Erdrosselt und zweihundertachtunddreißig Reißnägel im Brustkorb«, erstattete Vierkant Bericht, bis Demirbilek ihren Wortschwall unterbrach und erstaunt fragte: »Reißnägel? Sie meinen Reißzwecken?«
    »Ja, genau.«
    »Warum wissen Sie das alles und ich nicht?«, wunderte sich Demirbilek.
    »Leipold hat Sie nicht erreicht. Ihr Handy war aus. Der Tote wurde im Eisbach bei den Surfern gefunden.«
    Demirbilek holte sein Handy aus der Innentasche und schaltete es wieder ein.
    »Jale hat die Reißnägel gezählt«, fügte sie hinzu, als sie wieder seine Aufmerksamkeit hatte.
    »Wer ist Jale?«
    »Die Neue«, antwortete Vierkant mit strahlendem Gesicht und hielt ihm die Beifahrertür des Dienstwagens auf. »Wollen Sie zum Eisbach oder ins Büro?«
    »Ist die Leiche noch am Eisbach?«, erkundigte sich Demirbilek und sah in Vierkants fragendes Gesicht.
    »Wann wurde denn der Tote gefunden?«, wollte er dann wissen.
    Vierkant hatte auch darauf keine Antwort. Sie sank innerlich zusammen und zuckte mit den Achseln.
    »Wie wäre es, wenn Sie anrufen und nachfragen?«
    In ihrer Aufgeregtheit knallte Vierkant die Autotür wieder zu und kramte hastig in ihrer Handtasche nach ihrem Handy. Zeki Demirbilek sah sie mitfühlend an, befreite sie von dem Schal auf ihrem Kopf und bugsierte die dankbar lächelnde Kollegin auf den Beifahrersitz. Bevor er sich selbst in den Wagen ans Steuer setzte und den Motor startete, flüsterte er
»Bismillahirrahmanirrahim«,
um mit Allahs Beistand heil durch den Münchner Straßenverkehr zu kommen.

[home]
    11
    K napp dreißig Minuten später trafen er und Vierkant am Fundort ein. Die Anzahl Schaulustiger um das Absperrband war mittlerweile deutlich geringer geworden. Ein einzelner Polizist in Uniform bändigte die Neugierigen.
    »Und, Sepp? Alles im Griff? Gibt es noch was zu sehen?«, erkundigte sich Demirbilek bei dem Kollegen Freilinger, der sich an der Absperrung die Augen rieb. Sepp war alt, er tat sich schwer, lange zu stehen. Das verriet nicht nur sein
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