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Kommissar Morry - Ich habe Angst

Kommissar Morry - Ich habe Angst

Titel: Kommissar Morry - Ich habe Angst
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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Herzen, die Pulse hämmerten, in den Schläfen war ein stechendes Klopfen. Sein Hirn schlug Alarm. Vorsicht, mahnten die wirbelnden Gedanken. Vorsicht! Du mußt zumindest deine Stimme verstellen. Sie halten dich ja für Henry Boswell. Du darfst keinen neuen Fehler mehr begehen. Sie sind sonst sofort wie eine Meute gieriger Bluthunde hinter dir her. Er nahm den Hörer ab. Er umkrampfte ihn, daß die Finger weiß wurden. Erregt preßte er die gelbe Muschel ans Ohr.
    „Ja?" fragte er heiser, „Wer ist da?"
    Eine helle Frauenstimme meldete sich. Es war Kilda Leswin. Jack Havard kannte sie dem Namen nach. Sie hielt sich für die Braut Henry Boswells. Sie wußte anscheinend noch immer nicht, wie oft sie betrogen worden war. Ihre Worte klangen sanft und einschmeichelnd.
    „Ich wußte, daß du bei Alban Lampard bist, Henry", plauderte sie. „Er ist verreist, nicht wahr? Du bist allein in seiner Wohnung, stimmt's?"
    „Hm", raunte Jack Havard heiser.
    „Esther ist also schon weg?"
    „Ja, sie ist weg."
    „Ich werde dich abholen, Henry", sagte Kilda Leswin nach einem tiefen Atemzug. „Du mußt dich nur fünf Minuten gedulden. Dann werde ich hei dir sein."
    Jack Havard legte den Hörer auf und erhob sich ziemlich rasch aus seinem Sessel. Der Boden glühte plötzlich wie feurige Kohlen unter seinen Füßen.
    Er mußte weg. Er durfte sich keine Minute länger in diesen Räumen aufhalten. Er hatte ohnehin schon viel zuviel gewagt. Nur dem Zufall hatte er es zu verdanken, daß sein Spiel bisher geglückt war. Er löschte alle Lichter, drückte die Wohnungstür hinter sich zu und fuhr mit dem Lift nach unten. Er gelangte ungesehen aus dem Haus. Auch auf der Straße begegnete ihm niemand. Das erste Abenteuer war glücklich überstanden.

    3

    Am nächsten Morgen stand Jack Havard zeitig auf, nahm ein heißes Bad und kleidete sich sorgfältig an. Er wählte einen unauffälligen grauen Anzug, einen Hut von der gleichen Farbe und ein hellgraues Seidenhemd mit einfarbiger Krawatte.
    Mit einer solchen Beschreibung konnte niemand etwas anfangen, wenn es ernst wurde. Es war alles grau an ihm. Er legte sogar seinen Siegelring und seine Armbanduhr ab. Es durfte nichts geben, das ihn später verraten konnte.
    Nach dem Morgenkaffee packte er einen Schlafanzug in seine Aktentasche, den Trockenrasierer und ein paar Toilettensachen. Zehn Minuten vor acht Uhr verließ er das Haus.
    Von der nächsten Telefonzelle aus rief er seine Dienststelle an. Er ließ den ersten Direktor an den Apparat bitten.
    „Ich habe noch drei Wochen Urlaub gut, Sir", rief er gutgelaunt in den Hörer. „Wenn Sie nichts dagegen haben, möchte ich diesen Urlaub heute antreten."
    „Ach ja", brummte eine gemütliche Stimme am anderen Ende der Leitung. „Ich weiß, Mr. Havard! Sie wollen nach dem Süden reisen. Sizilien, nicht wahr?"
    „No", sagte Jack Havard trocken. „Ich will nur nach Mala Green."
    „Nach Mala Green? Ist das Ihr Ernst, Havard? Dieses Nest ist doch keine Stunde von London entfernt. Was wollen Sie denn dort draußen?"
    „Ich erzähle es Ihren später, Sir", sagte Jack Havard ungeduldig. „Sagen Sie mir lieber, ob ich ab sofort in Urlaub gehen kann."
    „Genehmigt, Havard. Fahren Sie los. Wünsche Ihnen gute Erholung. Und machen Sie keine dummen Streiche. Es täte mir leid, wenn ich einen meiner tüchtigsten Mitarbeiter verlieren würde."
    „Keine Sorge, Sir! Unkraut verdirbt nicht. Ich werde pünktlich nach drei Wochen wieder auf meinem Bürostuhl sitzen. Auf Wiedersehen, Sir!" Jack Havard hängte den Hörer auf die Gabel und verließ nachdenklich die gläserne Zelle. Der Chef hat eigentlich recht, dachte er grübelnd. Ich bin im Begriff, den dümmsten Streich
    meines Lebens zu begehen. Lohnt sich der Einsatz überhaupt? Warum führe ich einen Befehl Alban Lampards aus, der gar nicht mir gegolten hat. Henry kann ich ja doch nicht mehr helfen. Er ist tot. Kein Wunder kann ihn wieder zum Leben erwecken.
    Aber dann sagte er sich, daß Henry in seinem Leben nie einen wirklichen Freund besessen hatte außer seinem Vetter. Es mußte doch jemand da sein, der sich auch nach seinem Tode noch um ihn kümmerte. Es war einfach menschliche Pflicht, das Dunkel, das über seinem tragischen Ende lag, zu erhellen. Jack Havard nickte vor sich hin, als wolle er seinen Entschluß noch einmal bekräftigen. Er ging auf die nächste Bus-Haltestelle zu und fuhr zur Victoria Station. Als er durch das Bahnhofsgebäude zum Fahrkartenschalter ging, war es kurz vor neun
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