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Kommissar Morry - Der Judas von Sodom

Kommissar Morry - Der Judas von Sodom

Titel: Kommissar Morry - Der Judas von Sodom
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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Weg geben. Aber es war schon zu spät. Thom Harban hatte die Teestube bereits verlassen.

    4

    Liz Etty hatte das Gespräch noch immer nicht vergessen, als sie am nächsten Abend in der Garderobe der Austern Bar saß. Sie war viel schweigsamer als sonst. Sie beteiligte sich an keiner Unterhaltung. Während die anderen lachend ihre Kostüme wechselten, saß sie da und regte sich nicht. Sie wußte, daß Thom Harban draußen auf sie wartete. Sie wußte auch, daß er nichts mehr haßte als Unpünktlichkeit. Dennoch tat sie nichts, um rascher fertig zu werden. Sie konnte einfach nicht. Sie war unfähig, sich zu bewegen.
    „Sag das noch einmal“, raunte sie nach einer Weile Stephanie Malet zu. „Ich habe nicht richtig aufgepaßt. Erzähle die Geschichte von Anfang an.“
    Stephanie Malet trug bereits ihr Herbstkostüm und darüber den leichten Regenmantel. Sie war schwarzhaarig und von rassiger Schönheit. Auch unter dem Mantel zeichnete sich ihre Figur in verführerischen Formen ab.
    „Ich bin ausgezogen aus unserer Pension“, sagte sie achselzuckend. „Das weißt du doch. Ich habe mir ein anderes Zimmer gesucht.“
    „Und warum?“
    „Mein neuer Freund wollte es so. Er will nicht immer in fremden Lokalen herumsitzen und von allen Leuten angestarrt werden. Er möchte zu mir kommen.“
    „Wie lange kennst du ihn schon?“
    „Seit sechs Tagen.“
    „Seit sechs Tagen erst?“
    „Wir waren jeden Abend zusammen“, verteidigte sich Stephanie Malet hastig. „Da kommt man sich rasch näher. Er machte mir bereits einen Heiratsantrag. Er meinte es ernst.“
    „Wie heißt er?“ fragte Liz Etty.
    „James Hatfield.“
    Der Name sagte Liz Etty nichts. Sie hatte ihn nie gehört. Sie wußte nicht, daß es der Name eines Mörders war.
    „Wie sieht der Mann aus?“ fragte sie mißtrauisch.
    „Fabelhaft“, schwärmte Stephanie Malet. „Fremdartig, dunkel, ernst, verschlossen. Er
    spricht nicht viel. Kannst du dir nun ein Bild von ihm machen?“
    Liz Etty nickte. Es ist Thom Harban, dachte sie. Er wechselt seinen Namen wie andere Leute das Hemd. Er bleibt keiner treu. Er hat jeden Abend eine andere. Ich werde ihm in Zukunft aus dem Wege gehen.
    Laut sagte sie: „Ich würde diesen Mann nicht einfach mit auf mein Zimmer nehmen. Vielleicht bedauerst du es eines Tages. Wenn man gleich alles gibt, erntet man meist sehr wenig.“
    „Laß das meine Sorge sein“, sagte Stephanie Malet schnippisch. „Ich brauche keine Gouvernante. Übrigens kommt dein Rat auch zu spät. Ich habe bereits alles für den Besuch James Hatfields gerichtet. Er kommt um elf Uhr. Ich muß mich also beeilen. Auf Wiedersehen!“
    Liz Etty blieb noch eine Weile auf ihrem Flatz sitzen. Ihre Gedanken wirbelten blind durcheinander. Mechanisch begann sie sich dann anzukleiden. Traurig und bedrückt hantierte sie ganz allein in der Garderobe herum. Sie war die letzte, die den langen Spiegeltisch verließ. Langsam ging sie nach draußen. Zögernd schritt sie durch den Seitenausgang ins Freie. Sie hatte den Blick gesenkt, als wolle sie niemand mehr sehen.
    „Guten Abend“, sagte da plötzlich eine dunkle Stimme neben ihr. „Wollen wir wieder eine Tasse Tee zusammen trinken?“
    Liz Etty fühlte, wie ihr eine heiße Blutwelle ins Gesicht stieg. „Du?“ stotterte sie fassungslos. „Wie kommst du hierher? Ich dachte, du wärest mit Stephanie Malet verabredet?“
    Thom Harban sagte nichts. Er blickte sie nur merkwürdig forschend an. Und ein rätselhaftes, verstecktes Lächeln lag auf seinem dunklen Gesicht. —
    Stephanie Malet hatte inzwischen das kleine Boardinghouse erreicht, in dem sie seit zwei Tagen ein nettes Zimmer bewohnte. Es gab weder einen Pförtner, noch eine neugierige Zimmerwirtin. Niemand kontrollierte, wann die Mieter heimkamen und wen sie mitbrachten. Die Zimmerwände waren dick und verschwiegen. Stephanie Malet zog hastig ihren Mantel aus, öffnete das Fenster, um noch etwas zu lüften und begann den Tisch zu decken. Sie hatte genau noch zehn Minuten Zeit. Die Zeiger der kleinen Weckeruhr wanderten rasch auf die elfte Nachtstunde zu. Alles, was Stephanie Malet für ihren Besucher auftischen wollte, hatte sie bereits am Tage eingekauft. Sie legte zwei Gedecke auf den Tisch, stellte kalten Braten, Aufschnittplatten und Früchte bereit und sorgte auch für die nötigen Getränke. Schließlich ordnete sie noch die buntfarbigen Kissen auf dem breiten Ruhesofa.
    James kann hierbleiben, wenn er will, dachte sie leichtfertig. Man ist nur einmal
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