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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps
Autoren: Jared Diamond
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Erbauer – sie prahlen »Sieh meine Werke, die mächtigen, und verzweifle!«, um Shelleys Worte zu benutzen. Aber die Erbauer verschwanden und verließen die gewaltigen Bauwerke, die sie mit so großer Anstrengung errichtet hatten. Wie konnte eine Gesellschaf, die einst so mächtig war, am Ende zusammenbrechen? Welches Schicksal erlitten ihre einzelnen Mitglieder? Zogen sie fort, und wenn ja, warum? Oder starben sie auf unerfreuliche Weise? Hinter solchen romantischen Rätseln lauert eine quälende Frage: Könnte ein solches Schicksal am Ende auch unsere eigene, wohlhabende Gesellschaf  ereilen? Werden die Touristen eines Tages staunend die rostigen Gerippe der Wolkenkratzer von New York anstarren, so wie wir heute vor den dschungelüberwucherten Ruinen der Mayastädte stehen?
     
      Schon seit langem hat man die Vermutung, dass dieses rätselhafte Verlassen zumindest teilweise durch ökologische Probleme ausgelöst wurde: Die Menschen hatten in ihrer Umwelt unabsichtlich die Ressourcen zerstört, auf die ihre Gesellschaf  angewiesen war. Bestätigt wurde dieser Verdacht des unbeabsichtigten ökologischen Selbstmordes – des Ökozids – in den letzten Jahrzehnten durch die Entdeckungen von Archäologen, Klimaforschern, Historikern, Paläontologen und Palynologen (Pollenforschern). Die Vorgänge, mit denen die früheren Gesellschaf en sich selbst durch Schädigung der Umwelt die Grundlage entzogen, lassen  sich  in  acht  Kategorien  einteilen,  die  im  Einzelfall jeweils von unterschiedlich großer Bedeutung waren: Entwaldung und Lebensraumzerstörung, Probleme mit dem Boden (Erosion, Versalzung, nachlassende Fruchtbarkeit), Probleme mit der Wasserbewirtschaf ung,  übermäßige Jagd, Überfischung, Auswirkungen eingeschleppter Tiere und Pflanzen auf einheimische Arten, Bevölkerungswachstum und steigender Pro-Kopf-Effekt der Menschen.
     
      Solche Zusammenbrüche liefen in früheren Zeiten vielfach ähnlich ab und stellen gewissermaßen Variationen des gleichen Themas dar. Das Bevölkerungswachstum zwang die Menschen zur Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion (Bewässerung, doppelte Ernte, Anlage von Terrassen) und zur Ausweitung der Produktionsflächen: Statt gut geeigneter Flächen musste man nun auch weniger gute bewirtschaften, um immer mehr hungrige Münder zu  füttern. Nicht nachhaltige Methoden führten zu den zuvor aufgeführten Umweltschäden, mit der Folge, dass man weniger geeignete landwirtschaftliche Flächen wieder aufgab. Daraus erwuchsen für die Gesellschaft zahlreiche Folgen: Nahrungsknappheit, Hungersnöte, Krieg um knapp bemessene Ressourcen, und die Absetzung der herrschenden Eliten durch enttäuschte Untertanen. Schließlich ging die Bevölkerungszahl durch Hunger, Krieg oder Krankheiten zurück, und die Gesellschaft verlor einen Teil der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Komplexität, die sie in ihrer Blütezeit besessen hatte. Als Autor ist man leicht versucht, Parallelen zwischen solchen Entwicklungen menschlicher Gesellschaften und dem Lebensweg einzelner Menschen zu ziehen - man spricht von Geburt, Wachstum, besten Jahren, Alter und Tod einer Gesellschaft - und dabei zu unterstellen, dass die lange Phase der Alterung, die wir zwischen unseren besten Jahren und dem Tod in der Regel durchmachen, sich auch in der Gesellschaft wiederholt. Aber für viele frühere Gesellschaften (und in der Neuzeit für die Sowjetunion) hat sich die Metapher als falsch erwiesen: Ihr Niedergang vollzog sich nach dem Höhepunkt von Größe und Macht sehr schnell, sodass er für die Bürger eine ziemliche Überraschung und ein Schock gewesen sein muss. Im schlimmsten Fall, nach dem vollständigen Zusammenbruch, mussten alle Mitglieder einer Gesellschaft auswandern oder sterben. Natürlich sind nicht alle früheren Gesellschaften diesen bitteren Weg bis zum Ende gegangen: Die einzelnen Gesellschaften brachen in unterschiedlichem Ausmaß und auf etwas unterschiedliche Weise zusammen, und in vielen Fällen geschah es überhaupt nicht.
    Heute bereitet die Gefahr solcher Zusammenbrüche zunehmend Sorgen; in Somalia, Ruanda und einigen anderen Staaten der Dritten Welt sind sie bereits eingetreten. Viele Menschen fürchten, dass der Ökozid für die globale Zivilisation bereits eine größere Bedrohung darstellt als Atomkrieg und Krankheiten. Wir haben es heute mit den gleichen Umweltproblemen zu tun, die auch frühere Gesellschaften zu Fall brachten, und zusätzlich kommen
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