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Körper-Haft (German Edition)

Körper-Haft (German Edition)

Titel: Körper-Haft (German Edition)
Autoren: Martin Romey
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Zimmer und fragte: »Hallo Herr Schirmer, wie geht es Ihnen heute?«
    »Danke der Nachfrage Herr Doktor, bis auf meine steifen Glieder fühle ich mich eigentlich ganz wohl!«
    »Wie immer zum Scherzen aufgelegt!« Er lächelte mich an und wollte wissen: »Wie lange müssen Sie Ihre steifen Glieder denn noch ertragen?«
    Ich blinzelte mich kurz durch das Menü meines Holo-Flat-Pads und sagte: »Noch 1423 Tage, 13 Stunden, 32 Minuten und exakt 15 Sekunden! Gar nicht so schlecht, oder?«
    »Und was wollen Sie in den verbleibenden 1423 Tagen tun?«
    Mir war klar, dass er auf irgendetwas hinauswollte, also gab ich ihm eine ausweichende Antwort: »Das gleiche, was ich die letzen 2227 Tage getan habe. Herumliegen und es mir gut gehen lassen!«
    Er grinste nachsichtig und meinte: » Das glaube ich Ihnen nicht, dafür haben Sie einen viel zu wachen Geist!«
    »Apropos wacher Geist, Herr Doktor … was wollen Sie mir heute verkaufen?!«
    Er schreckte merklich zusammen und überspielte es mehr schlecht als recht mit einem Lächeln. »Ich sehe schon, Ihnen kann ich nichts vormachen!«
    »Warum sollten Sie auch? Oder haben Sie etwas zu verbergen?«
    Das Gespräch schien ihm nun wirklich unangenehm zu werden und er schwenkte um. »Nein, ganz im Gegenteil, ich möchte etwas mit Ihnen teilen! Stellen Sie sich einfach einmal vor, Sie könnten Ihre Gedanken viel deutlicher, klarer und vor allen Dingen auch plastischer darstellen. Wäre das nicht toll? Momentan können sie zwar reden ohne den Mund zu bewegen, aber stellen Sie sich nur einmal vor, sie könnten ihre Gedanken sichtbar machen?«
    »Ich bin mir nicht sicher, ob Ihnen das wirklich gefallen würde, Herr Doktor.«
    Ich weiß nicht, warum ich so streitlustig war, aber an diesem Tag ging mir Doktor Gralstor, dessen Gegenwart ich ansonsten wirklich schätze, wirklich gegen den Strich. War es die Anspannung wegen der ausstehenden Entscheidung von Natalie? Eigentlich wollte ich in Gedanken schon längst wieder bei ihr in der Wohnung sein. Und Doktor Gralstor versuchte mich verzweifelt in eines seiner Heizdeckenverkaufsgespräche zu ziehen.
    »Warum sollten mir ihre Gedanken nicht gefallen?«, fragte er mich.
    Ich wollte dieses wechselseitige Geplänkel entschieden abkürzen und entschied mich für eine Gegenfrage: »Sagen Sie mir nur einen guten Grund, welchen Vorteil ich davon hätte!«
    Er geriet ins Straucheln, überlegte kurz und sagte dann: »Äh, sie könnten ihre Zeit besser nutzen und sie könnten sich, äh, besser mitteilen.«
    Dann holte ich zum entscheidenden Schlag aus: »Und dafür – lassen Sie mich raten – müssen Sie lediglich operativ eine Neurokanüle entweder zu den Sehnerven oder direkt am Hauptstromkabel, sprich meiner Wirbelsäule legen?«
    Ihm entgleisten sämtliche Gesichtszüge: »Ähm, ja, das eine oder andere wäre dafür sicherlich notwendig.«
    Ich setzte nach. »Seien wir doch mal ganz ehrlich, Herr Doktor, glauben Sie wirklich, meine Gedanken, die ich ohnehin schon kenne, als ein paar bunte Bildchen auf einem Bildschirm zu betrachten, wäre mir das Risiko einer Operation an meiner Wirbelsäule wert?«
    Er schluckte trocken und meinte: »Stellen Sie sich doch nur die technischen Möglichkeiten vor. Sie könnten zum Beispiel von ihrem Bett aus Präsentationen in aller Welt halten und dabei die phantastischsten Umgebungen gestalten! Sie könnten all das mitteilen, was Sie denken … Ich dachte, ich würde Ihnen damit einen Gefallen tun. Überlegen Sie es sich!« Enttäuscht schlurfte er zur Tür und hob zum Abschied die Hand. »Überlegen Sie es sich, Herr Schirmer. Ich bin jederzeit für Sie da!«
    Die Tür hatte sich hinter ihm geschlossen. War ich zu harsch zu ihm gewesen? Aber was sollte mir eine bildhafte Darstellung meiner Gedanken bringen? Das wäre eine Art Seelenstriptease, bei dem ich der Einzige war, der sich auszog. Der Einzige, der wirklich etwas teilen würde. Ich würde meine Gedanken offen zur Schau stellen und jeder könnte darin herumbohren und sich das Ganze in einer Endlosschlaufe immer wieder und wieder anschauen. Ich stand kurz davor, durch Natalie meine Unschuld beweisen zu lassen. Warum sollte ich mich also für ein neurotechnisches Experiment aufschneiden lassen?
    Ich war auf dem besten Wege, mich in Rage zu denken, mich über Doktor Gralstor aufzuregen und ihm Dinge an den Hals zu wünschen, die dort nicht hingehörten.
    Schließlich beschloss ich, mich auf meine geliebte Zwischenebene zurückzuziehen und dort meine Füße
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