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Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)

Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)

Titel: Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)
Autoren: Tom Wolf
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und dabei ihr schönes Hinterteil entblößt Habende ahnt noch nicht, dass sie gerade ihren Nachfolger an des Jupiters Tafel willkommen heißt.
    Voltaire, der kurz hinaufgesehen hatte, bemerkte:
    »Dies soll uns wohl gemahnen, dass Fürsten und Herren der schönsten Dinge leicht überdrüssig zu werden pflegen und an ihren Bedienten nicht ausstehen können, wenn sie sich nur ein einziges Mal ungeziemend aufführen oder eine sprichwörtliche Blöße geben.«
    Langustier, der über die eigene Beziehung zum König nachdachte, wiegte den Kopf.
    Die Musik war erheiternd und eingängig, aber in keiner Weise tief. Etliche Lakaien auf hölzernen Leitern waren im Saal mit dem Neubestücken von Kandelabern und Kronleuchtern beschäftigt. Als Stärkung wurden auf kleinen silbernen Tabletts Abricotines et Friandises sowie Canapées avec Fois gras d’oie et Foi gras de canard gereicht.
    In überbordender Lust an der denkerischen Rocaille, jener muschelartigen, in sich geschlossenen und daher prinzipiell endlosen Form, die dem Zeitalter seinen Namen geben sollte, sagte Voltaire zu Langustier:
    »Köche pflegen ein genus irritabile zu haben, Schriftsteller erst recht. Sie werden mir hierin leicht zustimmen, mein lieber Langustier, denn ich halte Sie für einen Schriftsteller, der nur noch nicht zum Schreiben gekommen ist, bei seiner vielfältigen Kunst. Und so ist es nur natürlich, dass Sie insgeheim einen veritablen Zorn auf das Unbekannte, sich der geschmackvollen Zubereitung Entziehende hegten und nicht eher ruhten, bis Sie der Aufklärung in diesem vertrackten Falle heimgeleuchtet und das gute Aroma bis in die letzten Winkel der Speise vorgetrieben hatten.«
    Langustier, geschmeichelt, verfärbte sich und suchte abzuwiegeln. »Ich tat nur meine Pflicht, denn es war königlicher Befehl. Freilich – obgleich uns Ehrgeiz nie besiegen soll – geschah es wohl zudemaus Neugier, die trockenen Pfade des Verstandes durch einen Ausflug in die Gewässer der Realität gehörig auszuwaschen und zu erfrischen.«
    »Gut gesprochen, mein Herr. Und ich kann Euch versichern, dass es Eurer Ingenuität trefflich gelang. Denn Ihr liefertet somit den Lehren der vorerwähnten Geister die schönsten Illuminationen. Indem Ihr Euch auf Euren cartesianischen Verstand beriefet, gelang es Euch, vom gleißnerischen Spiel der Widersacher nicht getäuscht und von den Fakten nicht zum Narren gehalten zu werden. Um jedoch den Radamontaden der res cogitans und der res extensa nicht zum Opfer zu fallen, war Euch mehr als klappernde Rabulistik und ockhamsche Rasiermesserlogik vonnöten. Ihr musstet gleichzeitig auf dem Quivive sein
und
ein abwartendes Raffinement pflegen. Nur so konnten Euch am Ende die Sünder gleichsam wie gebratene Tauben im Schlaraffenland in den Mund fliegen.«
    Langustier dankte für diese allzu schmeichelhafte Darstellung des Zurückliegenden, in dem man doch auch ein reines Wirken des Zufalles oder einer betrunkenen Fortuna sehen konnte, und raffte seine ganzen Kenntnisse Baconscher, Hobbesscher und Spinozistischer Lehre zusammen, um seinerseits vielleicht noch ein philosophisches Destillat aus seinem detektivischen Zeitvertreib zu gewinnen.
    »Berlin ist leider noch lange kein perfektes und spirituell befriedetes Nova Atlantis, wie ich gedacht hatte, als ich – freundlich invitiert – hierher kam. Vieleher würde Bacons Sekretär Hobbes dort seinen ›bellum omnium contra omnes‹ wiederfinden und angesichts des gierigen Großstadtmolochs sein entwaffnendes ›homo homini lupus‹ sprechen können. Der König indessen ist in Gedanken zu fern, um sich und sein Land gegen die verderblichen Einflüsse der Machtgier wirkungsvoll zu wappnen. Ohne es zu wollen, befördert er sie noch und zeichnet sie gar durch seinen Hausorden aus.«
    Voltaire nickte, nippte an seinem Wein und vervollständigte Langustiers Gedankengang, die Stimme bis fast zur Unhörbarkeit dämpfend und den flötenden König aus dem Augenwinkel fixierend, um sicher zu sein, nicht von ihm überrascht zu werden:
    »Dass aus einem wahrhaft toleranten Kurfürstentum und Schafhag einmal der Marstall des fauchenden und krallenwetzenden Leviathans werden würde – wer hätte es gedacht? Dieser formliebende Frédéric geht in Hinsicht auf seine philosophischen Ideale weit hinter Spinoza zurück. Seine Selbsterhaltung ist ohne echte Tugend, sie ist gefährlich für Schwächere, er lobt die Gunst der Stunde und hat keine Skrupel, auf dem Recht des Stärkeren zu bestehen. Sollte
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