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Koenigin der Meere - Roman

Titel: Koenigin der Meere - Roman
Autoren: Katja Doubek
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Passanten mit mildem Lächeln.
    Kurz nach seiner Hochzeit mit Gwendolyn hatte er sich als Anwalt niedergelassen und seither einen hervorragenden Ruf erworben. Im kommenden Jahr würde es so weit sein; seiner Kandidatur als Bürgermeister stand nichts mehr im Weg. Stets hatte er sich als ein Mann mit strengen Moralvorstellungen präsentiert.
    Den Bürgern der Stadt am Bandon River galt er als Hüter von Recht und Anstand. Aus der ganzen Grafschaft Cork kamen die Menschen zu ihm und baten um juristischen Beistand, den Cormac gegen ein angemessenes Entgelt gewährte.
    Seine Tage verliefen nach einem Rhythmus, den er nur für Gerichtsverhandlungen und in äußersten Notfällen aufgab. Nach der Morgentoilette und einem Schälchen Haferbrei zog er sich in sein
Arbeitszimmer zurück und widmete sich dem Aktenstudium. Um elf Uhr begab er sich in den Pub am Marktplatz. Hier traf er sich mit Kollegen, Freunden und Honoratioren, beackerte das Feld für seine politische Karriere, trank zwei Krüge Bier, aß einen Teller Irish Stew und kehrte nach Hause zurück. Am Nachmittag empfing er Klienten, jedoch niemals später als um fünf Uhr, denn dann war es Zeit, sich umzukleiden und bei einem Glas irischen Maltwhisky auf den Abend vorzubereiten.
    Wenn William und Gwendolyn Cormac nicht ins Theater gingen oder eingeladen waren, pflegten sie zu Hause bei einem mehrgängigen Menü das, was die Hausherrin unter gehobener Konversation verstand.
    Gwendolyn Cormac sah sich als eine Dame aus besseren Kreisen. Sie kam aus einer adligen, aber verarmten Familie der Grafschaft und hatte Williams Antrag keineswegs aus Liebe, sondern vor allem deshalb angenommen, weil er als vielversprechender junger Mann mit Aufstiegschancen galt. Cormac seinerseits wusste, dass seine Braut ihm Zugang zur ersten Klientel Corks und damit zu einem sehr komfortablen Leben verschaffen würde.
    Gwendolyn füllte ihre Tage mit Besuchen bei Armen und Kranken. Frühling und Herbst vergingen mit der Organisation von Basaren zugunsten von Waisenkindern. Einmal in der Woche bildete sie mit fünf ausgewählten Damen einen Lesezirkel, eine einzigartige Institution in Kinsale, wie sie nicht müde wurde zu betonen.
    Das Leben der Cormacs verlief in ruhigen und geordneten Bahnen und wäre glücklich zu nennen gewesen, hätten nicht zwei bittere Wermutstropfen dieses Glück getrübt. Nach siebenjähriger Ehe und vielen Gebeten zum Trotz hatte Mrs. Cormac noch immer keinem Kind das Leben geschenkt und litt heftig darunter. Noch heftiger quälte sie allerdings, dass ihr Mann es mit der Treue nicht so genau nahm.
    William bemühte sich bei seinen Eskapaden um strengste Diskretion und weckte damit in seiner Gattin den unbezwingbaren Drang, ihn eines Tages in flagranti zu ertappen. Besessen von der Idee, ihr Mann könnte sie betrügen, verbrachte sie Stunden damit, ihm nachzuspionieren.
    Dies war auch der Grund dafür, dass sie eben in diesem Juni 1699
ihren sechswöchigen Besuch auf dem väterlichen Landsitz um vier Tage verkürzte und ohne vorherige Anmeldung zurück nach Kinsale fuhr.
    Dank der festen Regeln im Hause Cormac wusste Gwendolyn, dass ihr Mann sich bei ihrer Ankunft im Pub befinden und das Hausmädchen in der Remise mit der großen Weißwäsche beschäftig sein würde. Die Köchin, längst zurück vom täglichen Einkauf auf dem Markt, arbeitete in der Küche, und so hatte Gwendolyn ausreichend Zeit, die Räume ungestört nach verräterischen Spuren zu durchsuchen.
    Die Kutsche rumpelte über das Kopfsteinpflaster und hielt vor dem Haus. Postillion Tom, Teil ihrer elterlichen Mitgift, öffnete den Schlag und reichte Gwendolyn die Hand. Schon beim ersten Blick auf den Vorgarten rümpfte Mrs. Cormac die Nase.
    »Stell das Gepäck in den Flur, Margaret kann es später nach oben bringen. Du sieh zu, dass die Pferde abgeschirrt und versorgt werden.« Tom hievte gehorsam die beiden schweren Reisekisten vom Wagen und führte die Tiere in den Stall.
    Gwendolyn Cormac hatte es so eilig, in das eheliche Schlafgemach zu kommen, dass sie sich nicht einmal Zeit für einen Blick in den Spiegel nahm. Sie drückte die Klinke herunter. Die Blumen auf der Kommode waren verwelkt, und auch sonst schien es, als hätte das Zimmer in den letzten Wochen niemand betreten.
    »Gleich wissen wir es genau«, flüsterte sie und ging zum Bett.
    In weiser Voraussicht hatte sie die Daunendecke ihres Mannes vor der Abreise mit frischem Leinen überzogen und am Fußende mit einem kleinen Kreuz aus
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