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Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde

Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde

Titel: Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde
Autoren: Martin Wehrle
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gespeichert. Nun glich man die Kontodaten, die bei jeder Zahlung mit EC-Karte registriert werden, mit den Daten von Kunden- und Rabattkarten ab. Damit war das Puzzle komplett: Die Firma konnte die elektronischen Spuren der einzelnen Kunden mit gespenstischer Genauigkeit verfolgen. Jeder Schritt ließ sich nachzeichnen, jeder Einkauf auswerten. Die Kunden verrieten ihr Persönlichstes – ohne es zu ahnen! 77
    Und welchem Zweck diente diese Schnüffelei? Die Datenspione verscherbelten ihre Beute an Handelsunternehmen. Ob Bewegungsprofil, Kundenqualität oder »Ausschöpfungsgrad« (welch verräterisches Wort!) – kein Schnüffelwunsch blieb offen. Das Vergnügen hatte seinen Preis: Für tausend Datensätze sollten die Handelsfirmen bis zu 5 000 Euro hinblättern. 78
    Dieser Skandal wurde nicht von der Polizei, sondern von NRD-Reportern aufgedeckt. Immerhin sah sich Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) genötigt, Klartext über Rabattkarten zu reden: »Die Gewinner sind eindeutig die Unternehmen, die nicht nur Adressen von Kunden sammeln, sondern auch Hinweise auf deren Einkaufsgewohnheiten.« Das vernichtende Fazit der Ministerin: »Viele Angebote sind nur vermeintlich kostenlos. In Wirklichkeit bezahlen wir sie mit unseren persönlichen Daten.« 79

10. Werbe-Tricks: Wie man Luftschlösser verkauft

» W erbung« ist nur ein anderes Wort für »Manipulation«: Der Kunde soll wie eine Marionette ferngesteuert und zum Kauf eines bestimmten Produktes getrieben werden. In diesem Kapitel erfahren Sie …
mit welchen Tricks Werbeanzeigen unseren Verstand ausschalten wollen,
welche durchgeknallten Experimente in der Versuchsküche der Werbewirtschaft durchgeführt werden,
wie sanfte Musik mich im Supermarkt in den Kaufrausch du deln soll,
und warum das Eis, das Sie in der Werbung zu sehen meinen, nur plumpe Margarine ist.
    Die Flöte des Rattenfängers
    Mit welchen Mitteln spricht die Werbung ihre Kunden an? Werde ich von den Anbietern als mündiger Mensch behandelt? Liefern sie mir Informationen, die mir die Kaufentscheidung erleichtern? Oder sehen sie mich als törichten Kindskopf, den man mit süßen Rattenfänger-Tönen verführen muss?
    Vor mir liegt der Ster n 80 , ich will diese Frage am Beispiel von Anzeigen klären. Erstes Inserat: Die Startblöcke einer Leichtathletik-Rennbahn sind mit nur zwei Teilnehmern besetzt – einem hellen Auto auf Bahn 1 und einem dunklen auf Bahn 2. Warten auf den Startschuss. Überschrift: »Sportlicher wird’s nicht: Die BMW 1er und 3er Angebote«.
    Am Rande des Bildes joggt eine attraktive Pferdeschwanz-Blondine mit einem knackigen Begleiter. Diese Autos sollen als Symbole für Sportlichkeit gelten, nur frage ich mich: Was ist eigentlich sportlich daran, wenn ich aufs Gaspedal eines BMW trete? Nimmt meine Kondition etwa bei langen Autofahrten zu? Und wo soll ich eigentlich mein Autorennen austragen – in der Tempo-50-Zone vor meiner Haustür?
    Die nächste ganzseitige Anzeige auf Seite 6: Ein vollbärtiger Gentleman, offenbar Italiener, bewegt seine Lippen auf den hellroten Mund einer dunkelhaarigen Schönheit zu. Sie trägt ein schulterfreies Ballkleid in sinnlichem Rosa, das so locker an ihren leicht aufwärts geneigten Brüsten hängt, als rutschte es schon. Ihre rechte Hand schmiegt sich zärtlich um seinen Hals.
    Doch die beiden sind nicht nur mit sich selbst beschäftigt. In der jeweils freien Hand halten sie eine Espressotasse, beschriftet mit »LAVAZZA«. Man will mir »THE REAL ITALIAN ESPRESSO« schmackhaft machen. Als wäre das, was aus der Maschine fließt, keine dunkle Flüssigkeit mit fragwürdigem Einfluss auf die Gesundheit, sondern quellwasserreines Liebesglück.
    Und ein Schuss Sportlichkeit versüßt den Espresso: Der Hersteller bildet am unteren Rand der Anzeige zwei Tennisschläger in einem Button ab: »The Coffee of Wimbledon«. Der Espresso wird mit dem Tennissport verknüpft, mit Erfolg, Jugend, Fitness und Tradition. Dabei habe ich in Wimbledon noch keinen Spieler in der Satzpause zur Espressotasse greifen sehen …
    Als Kunde frage ich mich: Was hat dieser Espresso, was andere nicht haben? Ist er besonders günstig? Wie steht es um den Geschmack und die Zutaten? Darüber erfahre ich kein Wort. Die theatralische Liebesszene muss reichen.
    Nun blättere ich auf eine doppelseitige Anzeige von Mercedes weiter. Drei silbern funkelnde Wagen stehen nebeneinander, frontal und schräg von unten fotografiert. Am linken Bildrand tuckert ein nostalgisch
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