Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Koch zum Frühstück (German Edition)

Koch zum Frühstück (German Edition)

Titel: Koch zum Frühstück (German Edition)
Autoren: Rona Cole
Vom Netzwerk:
Salate und andere Sachen machen durfte, bei denen man nicht viel falsch machen kann. Claas hat bisher, bis auf meine Zeit in Paris, fast immer unter mir gearbeitet und vermutlich ist er sowas wie ein Freund.
    Das ist ungewöhnlich in meinem Geschäft und ich würde auch nicht behaupten, dass ich ein netter Chef bin. Die Fluktuation unter mir ist relativ hoch, aber das ist mir egal. Ich erwarte, dass meine Küche funktioniert, schließlich halte ich dafür meinen Arsch hin und hör' mir am Ende das Genörgel von so einem Vollpfosten wie dem von der zwölf an. Lass' mich mit zwei notgeilen Alten fotografieren, mich von der alten Hegenbarth am Arm tätscheln und dabei ‚Jungchen‘ nennen und mich von Reuter jeden Tag aufs Neue volljammern, wie schlimm sein Leben doch ist.
    Ich sollte mich echt mal um einen Posten als Restaurantleiter bewerben. Ein paar Reservierungen rumschieben, dumm in der Küche rumstehen und mit Lieferanten über meine Familie zu reden, bekomm' ich grade noch hin. Wobei das mit der Familie problematisch werden könnte. Aber den Rest, also Verhandeln und die Kalkulation, das mache sowieso schon lange ich. Dann weiß ich wenigstens, dass es erledigt ist.
    »Ach nichts, so ein Arsch hat sich über mein Lamm beschwert.«
    »Kann passieren.«
    »Kann es nicht«, widerspreche ich. Keiner beschwert sich über mein Essen. Ich will, dass es perfekt ist. Auf den Punkt. Großartig. Will, dass man über mich sagt, dass ich gut bin. Ich bin kein Schnitzelbrater. Ich bin ein verdammter Sternekoch. Ich kann's mir nicht leisten, dass irgendwas raus geht, das für den Gast nicht perfekt ist. Und es hat sich schon eine Ewigkeit niemand mehr beschwert. Das Dumme ist nur: dieses blöde Lamm hab' ich heute Abend selbst gemacht. Ich mag Lamm – nicht so sehr, es zu essen, aber es zuzubereiten, und eigentlich bin ich gut darin. Nur scheinbar nicht heute…
    »Was hat er denn gesagt? Zu salzig?«
    »Es war nicht salzig«, grummle ich wütend. Wie kommt er drauf? Als ob ich ein verficktes Lamm versalzen würde.
    »Die anderen Teller kamen alle leer zurück«, versucht er mich zu trösten. »Wie viel ging denn raus?«
    »Bestimmt sechs oder sieben Portionen.« Keine Ahnung mehr, wie viel ich am Ende auf Teller gepackt hab'.
    »Dann vergiss es. Der Kerl von der zwölf war sowieso mäkelig. Maike hat gesagt, er hat auf jedem Teller was zurückgehen lassen.«
    »Wer ist denn Maike?«
    »Die neue Servicekraft. Scharfes Gerät.«
    »Ach ja, die…«, murmle ich abwesend. Ich steh' echt neben mir, seit diesem beschissenen Anruf. Übers Wochenende hab' ich mich noch damit getröstet, dass alles bestimmt nur eine dumme Verwechslung ist. Ist es aber nicht. Es ist ein beschissener, realer Albtraum.
    »Weißt du was, jetzt setzt du dich erstmal hin und trinkst einen Schluck«, sagt Claas, greift mich mit beiden Händen an den Schultern und schiebt mich zurück in die Küche. »Und denk' bloß nicht mehr an diesen Idioten. War wohl alles ein bisschen viel für dich.«
    »Hm?« Verständnislos sehe ich ihn an.
    »Na ja, die letzten Tage… die Sache mit deiner Schwester und…«
    »Ja, vielleicht«, gebe ich zu. Ungern, aber ich weiß, dass er recht hat.
    »Hier!« Claas drückt mich auf einen Stuhl des Tisches, an dem wir essen, kommt wieder, stellt mir ein Rotweinglas hin und schenkt ein. Keine Ahnung, ob ich heute schon mal irgendwo gesessen bin. Ich sitze außerhalb des Personalessens, bei dem die Posteneinteilung, die Karte und der allabendliche Ablauf besprochen werden, sowieso selten dort. Keine Zeit.
    Wenn ich mal sitze, dann meist in meinem Büro, das ich als Küchenchef gnädigerweise habe, um bei Bestellungen ohne Geräuschkulisse mit den Lieferanten telefonieren zu können.
      »Danke! Kannst du Maike sagen, dass sie das Scheiß-Lamm von der Rechnung nehmen soll?«
    »Klar.« Claas nickt.
    »Und bring' ihnen meinetwegen zwei Espressi und irgend so einen Pralinenscheiß aufs Haus.« Gequält verziehe ich das Gesicht.
    »Mach ich.« Er lacht. Er weiß, wie schwer mir so was fällt. Aber ich bin Profi.  
    Erschöpft lasse ich mich auf dem Stuhl nach hinten fallen und lege den Kopf in den Nacken. Starre an die Küchendecke und versuche, irgendwie runter zu kommen.  
    Funktioniert nicht, also doch ein Schluck von diesem 2006er Shiraz, der da vor mir auf der Tischplatte steht.
    Ich setze mich wieder auf, nehme das Glas und schwenke es leicht. Betrachte die dunkle, außerordentlich dichte Farbe und den leicht öligen Film, den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher