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Koch zum Frühstück (German Edition)

Koch zum Frühstück (German Edition)

Titel: Koch zum Frühstück (German Edition)
Autoren: Rona Cole
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weil…«
    »Oh… Geht's ihr… gut?« Im Grunde war meine Frage kein Interesse, sondern Höflichkeit.
    Meine Schwester interessiert mich nicht. Und ihr Befinden schon gar nicht. Das beruht im Übrigen auf Gegenseitigkeit. Für meine Familie bin ich gestorben, weil ich eine Schwuchtel bin. Denn eine Schwuchtel ist jemand, für den man sich schämt. Ein Arschficker, der, wenn er nicht aufpasst, die Fresse voll kriegt – und der es verdient hat.
    Dass die Schwuchtel ihre Lehre durchgezogen hat, war kein Grund, stolz zu sein.
    Sie sind nicht mal gekommen, als ich die Gesellenprüfung mit Auszeichnung bestanden hab'. Obwohl meine Mutter gesagt hatte, sie würde es tun. Aber vermutlich war sie dann an dem Tag einfach zu betrunken.
    »Nein, leider nicht. Ihr Lebensgefährte war sofort tot und Ihre Schwester wurde schwer verletzt ins Universitätsklinikum gebracht. Dort ist sie nach zwei Tagen ihren Verletzungen erlegen. Mein herzliches Beileid, Herr Klein.«
    Meine Güte, ruft mich da die Psychologin an, oder was? Und wieso überhaupt haben sie um einen Rückruf gebeten? Wahrscheinlich bin ich wieder der Einzige, der die Beerdigung bezahlen kann. Das war schon bei meiner Mutter so. Eine Woche nach der Beisetzung kam der Brief vom Sozialamt und nach einem Gang zum Anwalt und ein bisschen Recherche im Internet war klar, dass ich die Party bezahlen muss.
    Der Tag der Beerdigung war übrigens das letzte Mal, dass ich meine Schwester gesehen hab'.
    Muss knapp vier Jahre her sein, ich weiß es nicht mehr genau . Ich weiß nur, dass es Herbst war und schon ziemlich kalt für die Jahreszeit. Und ich war grade wieder zurück in Hamburg.
    Pamela hat mich angerufen und mir, ziemlich nüchtern, den Termin mitgeteilt. Keine Ahnung, wie sie mich gefunden hatte. Ich hab' ganz hinten gestanden, in der fast leeren, kleinen Kapelle und auch später auf dem Friedhof. Weil ich nicht wusste, ob sie überhaupt gewollt hätte, dass ich dort bin. Vermutlich eher nicht. Schwuchteln sind nicht erwünscht. Nicht einmal dann, wenn sie die Rechnung bezahlen.
    Eigentlich hatte ich gar nicht vor hinzugehen, aber irgendwas hat mich dann wohl doch getrieben.  Es waren nicht viele Leute dort und niemand, der mich noch erkannt hätte. Meine Tante war da, glaube ich. Aber falls sie mich gesehen hat, hat sie's sich nicht anmerken lassen. Außerdem irgendwelche fertigen Gestalten, die ziemlich offensichtlich ein genau so großes Alkoholproblem hatten wie meine Mutter. Einer davon war wohl ihr Lebensgefährte, keine Ahnung, welcher. Der Rest waren vielleicht Freunde, vielleicht Nachbarn,
    hat mich nicht interessiert. Und natürlich war Pamela da. Meine kleine Schwester, die nicht mehr für mich übrig hatte als ein Nicken. Zusammen mit einem komischen Typen, der ein Kind auf dem Arm hatte und mich feindselig angestarrt hat. Vielleicht, weil er fand, die Schwuchtel solle sich verpissen.
    Diese Sache, dass ich mit Frauen nichts anfangen kann, hab' ich mir nicht ausgesucht. Aber es ist immer noch besser, eine Schwuchtel zu sein, als ein Typ ohne Job und ohne Perspektive. Das wusste ich auch schon vor ihrer Beerdigung. Ich hätte auch so enden können. Die meisten tun's. Man kann es kaum schaffen, diesem Umfeld, in dem ich aufgewachsen bin, zu entkommen. Aber irgendwie hab' ich's trotzdem geschafft. Es hat weh getan, damals. Aber heute weiß ich, dass mir die Tatsache, dass ich schwul bin, den Arsch gerettet hat, so zynisch es auch klingen mag.
    Und dann stand ich da, auf dem Friedhof. Und es war ein komisches Gefühl. Aber ich bin dort gewesen. Vielleicht, weil ich einfach nicht wollte, dass man mir am Ende was anderes vorwerfen kann.
    Ich bin nie wieder an ihrem Grab gewesen. War mir egal, wie der Stein aussah, für den ich ein kleines Vermögen ausgegeben hab'. Denn im Grunde war sie schon lange vor diesem Tag für mich gestorben. Irgendwann, als ich kapiert hab', was mit ihr los ist.
    Ich dachte vorher immer, es läge an mir. Weil das, was ich bin, nicht akzeptabel ist. Man ist nicht schwul. Man ist arbeitslos, ohne Ausbildung, ohne Perspektive, lebt vom Amt oder trinkt Alkohol morgens um zehn, um aufstehen zu können, und all das ist verdammt in Ordnung. Nur schwul zu sein, ist es nicht. Und wenn ich daran denke, macht es mich immer noch wütend.
    Aber ich bin raus aus diesem Leben. Und so weit weg, dass es kaum mehr als ein lange vergessener Teil von mir ist. Für die Journalisten und meine neuen Freunde hab' ich eine andere Version. Und manchmal glaub'
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