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KNOI (German Edition)

KNOI (German Edition)

Titel: KNOI (German Edition)
Autoren: David Schalko
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zu einem Schrecken. Es ist mir leider nicht möglich zu kommen. Nennen Sie mich Marie.
    - Wir sind sehr stolz auf dich, Jakob. Du bist geblieben. Wir haben alles richtig gemacht. Und jetzt kannst du gehen. Wir erlauben es dir.
    - Ich verstehe nicht, warum alle flüstern. Wir wollen doch, dass sie aufwacht.
    - Dein Vater versteht dein Verhalten nicht.
    - Hallo, Rita.
    - Hallo, Jakob. Wenn du mich anrufst, um mir zu sagen, dass du noch bleibst, will ich dir sagen, dass du das schon vor Tagen, vielleicht sogar Wochen getan hast. Dein Schweigen hat alles gesagt.
    - Ich kann nichts tun. Ich muss warten, bis sie aufwacht.
    - Das ist deine Geschichte. Es hat nichts mehr mit uns zu tun. Ich wünsche dir trotzdem das Beste. Ich bin traurig, wenn ich an dich denke. Wenn ich ahne, was da kommt. Gute Nacht, Jakob.
    - Entschuldigen Sie. Wie spät ist es bei Ihnen? Ich hoffe, ich habe Sie nicht geweckt. Ist es hell oder dunkel? Können Sie mich informieren, wenn sie aufwacht? Mehr nicht. Nur Laut geben. Ich bin die Schwester. Ich wollte nur wissen, ob sie stirbt. Das hätte etwas bedeutet. Wäre es Ihnen lieber, wenn ich um eine andere Zeit anrufe. Sagen Sie ihr nicht, dass ich angerufen habe. Sagen Sie ihr nichts.
    Als Jennifer aufwachte, war von Marie nichts übrig. Als Jennifer aufwachte, war Jakob seit Tagen, vielleicht sogar Wochen wieder an den Strand gegangen. Seine Eltern saßen in Wien und schüttelten die Köpfe. Rita ging zum Zahnarzt und verliebte sich in Lutz. Er machte ihr die Zähne, und zwei Wochen später hatte sie ihn auf die bessere Seite des Lebens gezogen. Marie Kerbler lag in einem abgedunkelten Zimmer in Rohrbach und schlief. Jennifers Vater stand als Urne in einem Hundsdorfer Wohnzimmer. Liane, seine letzte Frau, die von Jennifers Unfall nichts wusste, hatte sich endlich dazu durchgerungen, den Schrank zu entrümpeln. Sie fand keine Überraschungen. Das empfand sie als tröstlich und trostlos zugleich.
    Als Jennifer aufwachte, versuchte man Jakob zu erreichen. Sein Name fiel ihr nicht gleich ein. Als sie erfuhr, dass sie nie wieder würde gehen können, glaubte der Arzt für einen kurzen Moment, sie wäre zurück ins Koma gefallen. Da half es auch nicht, ihr zu versichern, dass sonst keine weiteren Schäden bleiben würden. Das Wichtigste sei der Kopf, hatte er gesagt. Wenn der Kopf der Kopf bleibe, dann sei alles andere nicht so wichtig. Ob man denn überhaupt von einem Überleben sprechen könne, wenn der Kopf nicht mehr der Kopf sei, sagte der Arzt, der schnell merkte, dass hier kein Trost angenommen werden wollte. Also ging er. Ein Arzt war immer mit Gehen beschäftigt. Während die meisten im Warten ihr Auslangen fanden, war es bei den Ärzten das Gehen. Was die einen als tröstlich und die anderen als trostlos empfanden. Er war einer der Ärzte, die untröstlich waren, daher traf er Jakob am Weg zum Strand, denn in solchen Situationen ging er stets an den Strand. Als er ihm sagte, dass seine Frau aufgewacht sei, da zuckte Jakob zusammen. Als ob der Arzt mehr über sein Schicksal wüsste als er selbst. Er sagte aber nicht, dass Marie nicht seine Frau war. Es sei schade, sagte Jakob, dass er nach Tagen, vielleicht sogar Wochen im Moment des Erwachens nicht in ihrem Zimmer gewesen sei. Wenn er daran denke, wie unwahrscheinlich das sei, weil er Tage, vielleicht sogar Wochen dort ausgeharrt habe, dann sei er untröstlich und wolle sofort wieder an den Strand zurückgehen. Und so standen Jakob und der Arzt gemeinsam am Meer und ließen sich den Wind ins Gesicht blasen. Für den Arzt hatte es etwas Tröstliches, wenn die Angehörigen blieben. Und Jakob war einer, der geblieben war, obwohl er noch immer auf die erlösenden Worte hoffte.
    - Sie können jetzt gehen.
    - Sie können nichts tun.
    - Sie können nichts dafür.
    - Sie können nichts für sich.
    - Sie können nicht gehen.
    Jennifer sah ihm an, dass die letzten Tage, vielleicht sogar Wochen alles, was er jemals wollte, aus ihm rausgeschüttelt hatten.
    - Sie sind nicht gegangen.
    - Wir sollten uns duzen, sagte Jakob.
    - Wenn es dir hilft. Ich habe dich anders in Erinnerung, sagte sie und seufzte, als ob sie noch nicht wüsste, ob ihr das, was sie sah, auch gefiel.
    - Du sagst das nur, um mich zum Gehen zu zwingen, sagte Jakob. Aber ich bleibe, ich bin all die Tage, vielleicht sogar Wochen geblieben, und ich bleibe auch jetzt, sagte er.
    Sie sagte, sie komme gut ohne ihn zurecht, sie brauche ihn nicht, er könne jederzeit gehen. Er sei doch nicht wegen
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