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KK fischt im Internet

KK fischt im Internet

Titel: KK fischt im Internet
Autoren: Ursel Scheffler
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Bademantel nur halb über dem Pyjama zusammengezogen, überquert er die Straße. Er trägt einen abgegriffenen Filzhut auf dem Kopf und eine Supermarkttüte mit Einkäufen unter dem Arm. Kein Mensch hätte erraten, dass er einen der reichsten und mächtigsten Männer Manhattans vor sich hat.

     
    Der Alte betritt ein schäbig aussehendes Haus durch eine verrottete Tür.
    Der Tür sieht man die Eisenplatte nicht an, mit der sie auf der Innenseite verstärkt ist. Genauso wenig, wie man dem alten Mann seine eiserne Gesundheit ansieht. Erst als er im Treppenhaus ist, richtet er sich wieder auf.
    Durch eine Geheimtür hinter der Treppe betritt er einen kleinen Flur. Gleichzeitig geht automatisch in einem der Parterrezimmer ein trübes Licht an.
    Es wird ein paar Stunden brennen. Jeder zufällige Beobachter muss jetzt denken, dass der Alte dort zu Hause ist.
    Dabei fährt er inzwischen mit einem Lift in die oberste Etage. Dort ist, für alle neugierigen Augen unsichtbar, ein luxuriöses Penthouse eingerichtet. Der Mann wirft Verkleidung und Perücke ab. Er wird dadurch nicht hübscher, aber er sieht wesentlich jünger und gesünder aus.
    Dann lässt er sich in einen der bequemen Schwingsessel fallen, legt die Füße auf den Tisch und zündet sich eine Zigarre an. Es ist Glen Webb, genannt Jaws. Im Gegensatz zu den anderen Mafia-Bossen, die immer elegant oder protzig daherkamen und jetzt im Gefängnis sitzen, mimt er den hilfsbedürftigen, gebrechlichen Alten.

    Aber dafür ist er in Freiheit! Er ist ein guter Schauspieler, der alle hinters Licht führt. Sogar den eigenen Familien-Clan. Seine Geschäfte regelt er über Mittelsmänner, von denen ihn, außer seinem Neffen Emilio Gallo, keiner leibhaftig zu Gesicht bekommt.
    Nicht einmal seinen Namen darf man nennen. Das ist ein eisernes Gesetz. Wenn vom Boss die Rede ist, dann tippt man sich dreimal ehrfurchtsvoll ans Kinn.
    Dreiundsechzig Morde hat Glen auf dem Gewissen, von denen man ihm keinen einzigen nachweisen kann. Darauf ist er stolz. In letzter Zeit leidet er allerdings etwas unter Schlaflosigkeit. Um zwei Uhr ist er immer noch wach.
    Er brütet über neuen Plänen ... Er sieht auf die Uhr und rechnet sechs Stunden weiter. In Europa ist es jetzt morgens um acht. Eine gute Zeit um Emilio anzurufen. Es interessiert ihn, was die neue Firma in Hamburg macht!
    Nicht ohne Hintergedanken hat er seinen Neffen Emilio mit dieser „Firmengründung“ beauftragt. Tüchtiger Bursche, der Emilio! Soll einmal sein Nachfolger werden. Glen greift nach dem Handy. Er lächelt. Es ist auf seinen Onkel Pepi Nemo zugelassen. Der gute alte Pepi! Er ist schon vor sieben Jahren bei einer Schießerei verstorben und wurde anständig begraben. Aber als Deckname für Telefonrechnungen und andere diskrete Geschäfte lebt er munter weiter.
    Glen drückt eine der Kurzwahltasten auf seinem Handy. Dort sind die Rufnummern seiner sämtlichen Außenstellen und Verbindungsleute einprogrammiert. Er hat sie nirgends aufgeschrieben. Das wäre viel zu gefährlich. Keinerlei Notizen! Das ist eine Sicherheitsmaßnahme, die er auch seinem Neffen Emilio eingeschärft hat. Jeder Brief, jeder Zettel wird sofort verbrannt.
    Glen grinst. Falls einmal jemand seinen Schlupfwinkel aufstöbern sollte, wird er nichts finden. Eine Frauenstimme meldet sich am anderen Ende der Leitung. Es ist Rosa, Emilios mexikanische Freundin.
    „Emilio ist nicht da. Er ist überraschend nach New York geflogen. Er erwartet eine große Sendung Hanf aus Mexiko. Eigentlich wollte er sich gleich melden, wenn alles organisiert ist“, berichtet Rosa.
    „Und wie läuft’s in Hamburg?“
    „Wir kriegen die Sache in den Griff, Boss“, versichert Rosa eilig. „Der Hai zeigt seine Zähne. Außerdem läuft das Softwaregeschäft hervorragend. Wir haben Verbindungen zu einigen großen Firmen und zu einem bekannten Hacker-Club.“

    Glen ist zufrieden mit dem, was er über die Entwicklung der Außenstelle erfährt. Er beendet das Gespräch und legt sich dann für ein paar Stunden aufs Ohr.
    Als er aufwacht, macht er sich Toast und Tee. Es ist acht Uhr. Die Zeit, um die er gewöhnlich seinen Vetter Amelio anruft.
    „Was ist mit der Panne in der Zweigstelle in Brooklyn?“, erkundigt er sich schroff. „Mist gebaut, wie?“
    „Wir haben in der Garage alle Spuren restlos beseitigt. Die Cops waren da und haben nichts gefunden. Der Eingang in der Garage ist zugeschüttet. Falls sie ihn öffnen, finden sie im Keller nur altes Gerümpel“,
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