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Kishon's schönste Geschichten für Kinder

Kishon's schönste Geschichten für Kinder

Titel: Kishon's schönste Geschichten für Kinder
Autoren: Ephraim Kishon
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und machst dich selbst über die volle Tasse her. Und dann freuen wir uns darüber, daß wir dich hereingelegt haben. " Mir gefiel diese Sache gar nicht, aber Amirs Mutter meinte: „Hauptsache, daß der Kleine seinen Kakao trinkt. " Daher blieb mir nichts anderes übrig, als auf das Spiel einzugehen. Großpapa ging ins Badezimmer, füllte den Becher mit lauwarmem Wasser und hielt ihn mir hin: „Amir hat schon wieder keinen Tropfen getrunken!" „Das ist ja unerhört!"
    schrie ich in hervorragend gespielter Empörung. „Was glaubt der Kerl? Er will diesen herrlichen Kakao nicht trinken? Gut, dann trink'
    ich ihn selbst!" Amirs Augen hingen erwartungsvoll glitzernd an meinem Mund, als ich den Becher ansetzte. Und ich enttäuschte seine Erwartung nicht:
    „Pfui Teufel!" rief ich nach dem ersten Schluck. „Was ist das für ein abscheuliches Gesöff? Brrr!"
    „Reingefallen, reingefallen!" jauchzte Amir, tat einen Luftsprung und konnte sich vor Freude nicht fassen. Es war ein wenig peinlich - aber, wie seine Mutter sagt: „Hauptsache, daß er seinen Kakao trinkt.
    " Am nächsten Tag war's die gleiche Geschichte: Opa brachte mir einen Becher Leitungswasser, Amir hat nichts getrunken, was glaubt der Kerl, herrlicher Kakao, pfui Teufel, brrr, reingefallen, reingefallen. Und von da an wiederholte sich das Tag für Tag. Nach einiger Zeit ging es auch ohne Großpapa. Jetzt kommt er schon selbst mit dem Leitungswasser, unerhört, herrlicher Kakao, pfui Teufel, reingefallen, Luftsprung... Mit der Zeit begann ich nur Sorgen zu machen: „Liebling", fragte ich meine Frau, „ist unser Kind vielleicht ein bißchen dumm?"
    Es war mir nämlich nicht ganz klar, was sich in seinem Kopf abspielte. Vergaß er jeden Abend, was am Abend zuvor geschehen war? Hielt er mich für so schwachsinnig, daß ich seit Monaten immer auf den gleichen Trick hereinfiel? Die Mutter fand wie immer die richtigen Trostworte: was der Kleine denkt, ist unwichtig, wichtig ist, was er trinkt. Es mochte ungefähr Mitte Oktober sein, als ich - vielleicht aus purer Zerstreutheit, vielleicht aus geheimem Protest - die üble Flüssigkeit ohne jedes „unerhört" und „brrr" direkt ins Klo schüttete.
    Das sehen und in Tränen ausbrechen, war für Amir eins: „Pfui, Papi", schluchzte er. „Du hast ja nicht einmal gekostet. " Jetzt reichte es mir:
    „Ich brauche nicht zu kosten, jeder Trottel kann sehen, daß es nur Wasser ist. " Ein durchdringender Blick Amirs war die Folge:
    „Lügner", sagte er leise. „Warum hast du dann bisher immer gekostet?"
    So war das also. Amir wußte längst, daß wir Abend für Abend ein idiotisches Spiel veranstalteten. Wahrscheinlich hatte er's von Anfang an gewußt.
    Unter diesen Umständen bestand keine Notwendigkeit mehr, die lächerliche Sache fortzusetzen.
    „Doch", widersprach Amirs Mutter. „Es macht ihm Spaß. Hauptsache, daß er seinen Kakao trinkt. "
    Im November führte Amir eine kleine Änderung ein. Wenn ich ihn bei Überreichung des Bechers fragte, warum er seinen Kakao nicht getrunken hätte, antwortete er:
    „Ich habe nicht getrunken, weil das kein Kakao ist, sondern Leitungswasser. "
    Eine weitere Erschwerung trat im Dezember auf, als Amir sich angewöhnte, die Flüssigkeit vor der Kostprobe mit dem Finger umzurühren. Die Zeremonie widerte mich immer heftiger an. Schon am Nachmittag wurde mir übel, wenn ich mir vorstellte, wie das kleine, rothaarige Ungeheuer am Abend mit dem Leitungswasser angerückt kommen würde. Alle anderen Kinder trinken Kakao, weil Kinder eben Kakao trinken. Nur mein eigenes Kind ist mißraten...
    Gegen Ende des Jahres geschah etwas Rätselhaftes. Ich weiß nicht, was da in mich gefahren war: an jenem Abend nahm ich
    aus meines Sohnes Hand den Becher entgegen - und statt den eklen Sud in weitem Bogen auszuspucken, trank ich ihn bis zur Neige. Ich erstickte beinahe, aber ich trank. Amir stand entgeistert daneben. Als die Schrecksekunde vorüber war, schaltete er die höchste Lautstärke ein: „Wieso?" schrillte er. „Warum trinkst du das?" „Was heißt da warum und wieso?" gab ich zurück. „Hast du mir nicht gesagt, daß du heute keinen Tropfen Kakao getrunken hast? Und hab' ich dir nicht gesagt, daß ich den Kakao dann selbst trinken werde? Also?"
    In Amirs Augen funkelte Wut. Er wandte sich ab, ging zu Bett und weinte die ganze Nacht. Es wäre wirklich besser gewesen, jetzt mit 146
    dem Kakao-Spiel aufzuhören. Aber davon wollte meine Frau nichts wissen:
    „Hauptsache",
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