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Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer

Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer

Titel: Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer
Autoren: Sue Grafton
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legte den Kopf auf die Pfoten und warf mir einen besorgten Blick zu.
    Ich sagte: »Hör mal, ich hoffe, du hast nichts dagegen, wenn ich ganz hier reinschlüpfe, weil nämlich jede Minute euer Nachbar aus dem Fenster schaut und entdeckt, wie mein Hintern aus der Hundetür hängt. Falls du irgendwelche Einwände hast, dann sprich jetzt oder schweig auf ewig.«
    Ich wartete, doch der Hund fletschte nicht einmal die Zähne. Indem ich mich auf die Ellbogen stützte, kroch ich ganz hinein und säuselte »braver Hund«, »so ein liebes Tierchen« und ähnlich arschkriecherische Phrasen. Sein Schwanz begann hoffnungsfroh auf den Boden zu klopfen. Vielleicht war ich der kleine Kamerad, den ihm sein Dad als Spielgefährten versprochen hatte.
    In der Küche angelangt, begann ich mich aufzurichten. Dies verwandelte mich in den Augen des Hundes in eine Bestie, die womöglich angefallen werden musste. Er sprang auf, den Kopf gesenkt, die Ohren angelegt, und setzte zu einem versuchsweisen Knurren an, durch das sein gesamter Brustkorb zu vibrieren begann wie ein Schwarm Bienen auf Wanderschaft. Ich ließ mich wieder in meine ursprüngliche unterwürfige Stellung herabsinken. »Braver Junge«, murmelte ich und senkte demütig den Blick.
    Ich wartete, während der Hund den Umfang seiner Verantwortlichkeit auslotete. Das Knurren verstummte bald. Ich versuchte es noch einmal. Mich auf Hände und Knie zu stützen schien akzeptabel zu sein, aber sowie ich versuchte, ganz aufzustehen, setzte das Knurren wieder ein. Es stand völlig außer Zweifel, dass es dieser Hund ernst meinte.
    »Du bist aber streng«, sagte ich.
    Ich wartete ein paar Momente und probierte es erneut. Diesmal brachte mir der Versuch ein wütendes Bellen ein. »Okay, okay.« Der große Junge ging mir langsam auf die Nerven. Theoretisch befand ich mich nah genug an der Hundetür, um eine Flucht zu bewerkstelligen, aber ich traute mich nicht, mich mit dem Kopf voran hindurchzuzwängen und mein Hinterteil schutzlos darzubieten. Ich hatte aber auch Angst davor, mit den Füßen zuerst hinauszuschlüpfen, da der Hund womöglich meinen Oberkörper anfiel, während ich in der Öffnung feststeckte. Unterdessen tickte die Küchenuhr wie eine Zeitbombe und zwang eine Entscheidung herbei. Rückzug oder Angriff? Ich sah Ted Rich vor mir, wie er die Landstraße in meine Richtung entlangbrauste. Irgendetwas musste ich tun. Nach wie vor auf allen vieren kroch ich einen Schritt voran. Der Hund sah wachsam zu, machte aber keine Drohgebärden. Langsam schlich ich über den Küchenfußboden und auf die Vorderseite des Hauses zu. Der Hund trottete neben mir her. Seine Krallen klickten auf dem schmutzigen Linoleum, und seine gesamte Aufmerksamkeit galt meiner schwerfälligen Fortbewegung. Langsam wurde mir klar, dass ich die Sache nicht richtig durchdacht hatte, aber ich war so auf mein Ziel fixiert gewesen, dass ich mir die dafür nötigen Mittel gar nicht vollständig vor Augen gehalten hatte.
    Wie ein Kleinkind durchquerte ich in meinem Spielanzug das Esszimmer, passierte das Motorrad und gelangte ins Wohnzimmer. Dieser Raum war mit Teppichboden versehen, enthielt aber sonst wenig Interessantes. Ich kroch den Flur entlang, den Hund stets an meiner Seite. Sein Kopf hing so tief herab, dass sein Blick auf gleicher Höhe mit meinem war. Vermutlich sollte ich gleich hier erklären, dass das, was ich da machte, nicht dem gewohnten Verhalten eines Privatdetektivs entsprach. Es war eher typisch für jemanden, der einen Kleindiebstahl im Sinn hatte, doch ich war zu stur und ungeduldig, um legale Mittel einzusetzen (vorausgesetzt, mir wären welche eingefallen). In Polizeikreisen wäre mein Tun als Hausfriedensbruch, Einbruch und (angesichts der Dietriche in meiner Hosentasche) Besitz von Einbruchswerkzeug klassifiziert worden... Kalifornisches Strafgesetzbuch, Artikel 602, 459 beziehungsweise 466. Ich hatte zwar (noch) nichts gestohlen, und der Gegenstand, auf den ich aus war, war rein geistiger Natur, aber es war trotzdem illegal, sich durch eine Hundetür zu zwängen und einen fremden Flur entlangzukriechen. Wenn man mich auf frischer Tat ertappte, würde ich verhaftet und verurteilt werden und womöglich meine Lizenz und damit meine Existenzgrundlage verlieren. Na toll. Und das alles wegen eines Mannes, den ich nach nicht einmal neun Monaten Ehe verlassen hatte.
    Das Haus war nicht groß; ein Bad und zwei Schlafzimmer, dazu Wohnzimmer, Esszimmer, Küche und Waschküche. Ich muss sagen, aus
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