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Kinder des Wassermanns

Kinder des Wassermanns

Titel: Kinder des Wassermanns
Autoren: Poul Anderson
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die Flut flußaufwärts wanderte, verlockt, und was dann geschah und was ich sah – kurz, ich entkam. Aber an Küsten, wo diese Gefahren lauern, können wir nicht leben.“
    Schweigen herrschte; der Regen peitschte nieder. Es gab keine Farben mehr, das Auge fand nichts anderes als Grautöne und Dunkelheit. Nahebei zuckten Blitze auf, der Donner rollte vom unsichtbaren Himmel herab.
    Endlich ließ sich einer der älteren Männer hören, der geboren worden war, als Harald Blauzahn in Dänemark regierte. „Ich habe unterwegs darüber nachgedacht. Wenn wir an einem Ort, wo unsere Art wohnt, nicht als Gruppe Zuflucht finden können, wäre es dann nicht möglich, daß wir einzeln oder zu zweit in die verschiedenen Gegenden ziehen? Ich glaube, so Person für Person könnte man uns aufnehmen. Vielleicht würden sich die anderen über das Neue, das wir mitbringen, sogar freuen.“
    „Für einige von uns mag das die Antwort sein“, mußte Vanimen einräumen. Er hatte erwartet, daß dieser Vorschlag gemacht werden würde. „Aber nicht für die meisten von uns. Denke daran, wie wenige Nester des Seevolks noch übrig sind. Wir waren die letzten an einem dänischen Strand. Ich glaube nicht, daß sich alle von uns auf sie aufteilen ließen, ohne daß sie darunter zu leiden hätten. Ganz bestimmt würden sie sich weigern, unsere Kleinen aufzunehmen, die erst noch jahrelang gefüttert werden müssen, ehe sie eine Hilfe bei der Nahrungsbeschaffung sind.“
    Er reckte sich, um so groß wie möglich im Sturm dazustehen. „Und außerdem“, rief er ihnen zu, „ sind wir das Liri-Volk. Wir haben unser Blut, unsere Sitten, unsere Erinnerungen gemeinsam, alles das, was uns zu dem macht, das wir sind. Wollt ihr euch von euren Freunden und Geliebten trennen, wollt ihr alte Lieder vergessen und niemals ganz richtig irgendwelche neuen lernen, wollt ihr das Liri eurer Vorfahren – die dort gelebt haben, seit das Große Eis sich zurückzog – sterben lassen, als sei es nie gewesen?
    Sollen wir einander nicht helfen? Sollen wir es wahr werden lassen, was die Christen behaupten, Feenleute könnten nicht lieben?“
    Mit offenem Mund starrten sie ihn durch den Regen an. Mehrere Säuglinge schrien. Endlich antwortete Meiiva: „Ich kenne dich, Vanimen. Du hast einen Plan. Laß uns ihn beurteilen.“
    Ein Plan … Er hatte nicht die Macht, Befehle zu erteilen. Liri hatte ihn zum König erwählt, nachdem die Knochen des letzten Führers auf einem Riff gefunden worden waren, eine Harpunenspitze zwischen den Rippen. Er hatte den Vorsitz bei selten vorkommenden Streitgesprächen. Er entschied bei Zwistigkeiten, obwohl nichts außer dem Wunsch, sich die allgemeine Achtung zu erhalten, den Verlierer zwingen konnte, sich nach diesem Urteil zu richten. Er verhandelte im Namen seines Volkes mit Siedlungen an anderen Orten – das war nur selten erforderlich. Er führte die wenigen Unternehmungen an, die ihre vereinten Kräfte erforderten. Er war der Leiter ihrer Feste.
    Seine wichtigsten Aufgaben lagen außerhalb der Tradition. Er mußte ein Gefäß der Weisheit, ein Ratgeber für die Jungen und die Zweifelnden sein, ein Bewahrer und Lehrer der alten Bräuche. Als Hüter der Talismane, als Zauberkundiger bewahrte er Liri vor Ungeheuern, böser Magie und der Menschenwelt. Er verkehrte mit den Mächten … aye, er hatte Ran selbst zu Gast gehabt …
    Zum Lohn hatte er in einer Halle wohnen dürfen anstatt in dem einfachen Haus eines gewöhnlichen Wassermannes, es wurde für seinen Unterhalt gesorgt, wenn es nicht sein Wunsch war, selbst auf die Jagd zu gehen, er erhielt Kostbarkeiten zum Geschenk (allerdings wurde auch von ihm erwartet, daß er großzügig und ein guter Gastgeber war), er wurde von einem Stamm, der im allgemeinen nicht viel von Ehrerbietung hielt, hoch geachtet.
    Alle diese Vorteile hatte er eingebüßt bis vielleicht auf diesen letzten, und er war Bestandteil der schweren Pflichten, die immer noch auf ihm lasteten.
    Er sprach: „Dies ist nicht das ganze Universum. In meiner Jugend bin ich weit gewandert, wie einige unserer Rasse es zuweilen zu tun pflegen. Westwärts bin ich bis nach Grönland gekommen, wo ich erfuhr, daß es in den Ländern noch weiter im Westen sowohl Seevolk als auch Menschen gibt. Weder von der einen noch von der anderen Rasse hatte je ein lebendes Mitglied dort einen Besuch gemacht, aber die Kunde war gewiß, und die Delphine bestätigten es mir. Viele von euch werden sich daran erinnern, daß ich hin und wieder
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