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Kinder Des Nebels

Kinder Des Nebels

Titel: Kinder Des Nebels
Autoren: Brandon Sanderson
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seinen Metallen ziehen oder gegen sie drücken konnte.
    Zumindest behauptete er das. Aber was war, wenn alles andere Metall, das er trug - die Ringe, die übrigen Armreifen, wie sie auch beim Adel zur Mode geworden waren -, lediglich eine Ablenkung darstellte?
    Eine Ablenkung von jenem Reifenpaar, das sich um seine Oberarme wand.
Ist es wirklich so einfach?,
dachte sie, als der Druck des Obersten Herrschers sie zu zerquetschen drohte.
    Ihr Weißblech war beinahe aufgebraucht. Sie konnte kaum mehr klar denken. Doch jetzt verbrannte sie Eisen. Der Oberste Herrscher war in der Lage, Kupferwolken zu durchdringen. Das war ihr ebenfalls möglich. Irgendwie waren sie beide von derselben Art. Wenn er die Metalle im Körper eines anderen Menschen beeinflussen konnte, dann konnte sie es auch.
    Sie fachte das Eisen an. Blaue Linien erschienen und wiesen auf die Ringe und den anderen Schmuck des Obersten Herrschers - auf alles außer den beiden Armreifen, die in seine Haut eindrangen.
    Vin verbrannte ihr Eisen noch stärker, konzentrierte sich und drückte so heftig wie möglich. Sie hielt auch das Weißblech angefacht und bemühte sich, nicht erdrückt zu werden, und sie wusste, dass sie bereits nicht mehr atmete. Die Kraft, die sich gegen sie presste, war einfach zu stark. Sie konnte den Brustkorb nicht mehr heben und senken.
    Nebel umspielte sie und tanzte unter ihrer Allomantie. Sie starb. Sie wusste es. Sie spürte den Schmerz kaum mehr. Sie wurde erdrückt. Erstickt.
    Sie starrte in den Nebel.
    Zwei neue Linien erschienen. Vin schrie auf, zog mit einer Stärke an ihnen, die sie nie in sich erwartet hätte. Ihr Eisen loderte höher und höher auf, und das Zerren des Obersten Herrschers gab ihr den Antrieb, den sie benötigte, um an seinen Armreifen zu ziehen. Wut, Verzweiflung und Schmerz verbanden sich in ihr, und sie richtete ihr ganzes Sein auf dieses Ziehen.
    Das Weißblech ging ihr aus.
    Er hat Kelsier getötet!
    Die Armreifen lösten sich von seinem Fleisch. Der Oberste Herrscher brüllte vor Schmerz auf; es war nur ein schwacher, ferner Laut in Vins Ohren. Plötzlich ließ der Druck gegen sie nach. Keuchend fiel sie zu Boden, und ihr Blick verschwamm. Die blutigen Armreifen prallten auf den marmornen Untergrund, schlitterten über ihn und blieben vor ihr liegen. Sie schaute auf und benutzte Zinn, um wieder einen klaren Blick zu bekommen.
    Der Oberste Herrscher hatte sich nicht bewegt. Seine Augen waren vor Entsetzen weit aufgerissen, seine Arme blutig. Er ließ Marsch zu Boden fallen und eilte auf Vin und auf seine verbogenen Armreifen zu. Doch mit dem letzten Rest ihrer Kraft - das Weißblech war nun endgültig erschöpft - drückte Vin gegen die Reifen, so dass sie am Obersten Herrscher vorbeischossen. Erschüttert wirbelte er herum und sah, wie sie durch das zerbrochene Fenster flogen.
    In der Ferne erschien die Sonne am Horizont. Die Reifen sanken vor ihrem roten Licht nieder und funkelten kurz auf, bevor sie hinunter in die Stadt stürzten.
    »Nein!«,
kreischte der Oberste Herrscher und lief auf das Fenster zu. Wütend drehte er sich zu Vin um. Sein Gesicht war nicht länger das eines jungen Mannes. Nun war er mittleren Alters; die vormals jugendlichen Züge waren gereift.
    Er machte einen weiteren Schritt in Richtung des Fensters. Sein Haar wurde grau, und Runzeln erschienen wie winzige Spinnweben um seine Augen.
    Der nächste Schritt, den er tat, war bereits unsicher. Er erzitterte unter der Last des Alters, sein Rücken krümmte sich, das Haar fiel ihm aus.
    Dann brach er auf dem Fußboden zusammen.
    Vin lehnte sich gegen die Säule; ihr Geist war benommen vom Schmerz. Einige Zeit regte sie sich nicht mehr. Sie konnte nicht denken.
    »Herrin!«, sagte eine Stimme. Nun war Sazed an ihrer Seite; seine Stirn war nass vor Schweiß. Er gab ihr etwas zu trinken; sie schluckte gehorsam.
    Ihr Körper wusste, was er zu tun hatte. Reflexartig verbrannte sie Weißblech und stärkte sich damit. Dann fachte sie Zinn an, und die plötzliche Schärfe all ihrer Sinne machte sie ruckartig wach. Sie keuchte und schaute in Sazeds besorgtes Gesicht.
    »Vorsicht, Herrin«, sagte er, als er ihr Bein untersuchte. »Der Knochen ist gebrochen, aber es scheint kein Splitterbruch zu sein.«
    »Marsch«, sagte sie erschöpft. »Kümmere dich um Marsch.«
    »Um Marsch?«, fragte Sazed erstaunt. Dann sah er, wie sich der Inquisitor in der Ferne auf dem Boden regte.
    »Bei allen vergessenen Göttern!«, stieß Sazed hervor und eilte an
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