Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinder der Stürme

Kinder der Stürme

Titel: Kinder der Stürme
Autoren: George R.R. Martin
Vom Netzwerk:
wird ein totes Land sein.“
    „Lügnerin“, sagte der Landmann. Er hantierte mit seinem Messer.
    „Wir wollen deinem Volk nichts antun“, sagte Maris. „Tya ist tot, und nichts wird sie wieder lebendig machen. Aber du wirst meine Forderungen akzeptieren, oder all meine Warnungen werden eintreffen. Erstens: Du übergibst uns Tyas Leichnam, damit sie auf die See hinausgeflogen und aus großer Höhe hinabgeworfen werden kann, so wie es einer Fliegerbeisetzung entspricht. Zweitens: Du wirst ihrem Willen entsprechen und Frieden schließen. Du wirst deine Ansprüche an der Mine, die den Krieg mit Thrane auslösten, zurückziehen. Drittens: Jedes Jahr wirst du ein armes Kind zur Luftheim-Akademie schicken, damit es dort lernt, mit den Flügeln umzugehen. Ich denke, das würde Tya gefallen. Und schließlich“, Maris hielt kurz inne und beobachtete die Reaktion in seinen Augen, „wirst du dein Amt niederlegen und dich mit deiner Familie von Thayos auf eine Insel, wo man dich nicht kennt, zurückziehen. Dort kannst du deine letzten Tage in Frieden beschließen.“
    Der Landmann fuhr mit dem Daumen über den Griff seines Messers. Er hatte sich geschnitten, ohne es bemerkt zu haben. Ein kleiner Blutstropfen hatte sein weißes Seidenhemd befleckt. Er verzog den Mund.
    In der plötzlichen Stille, die ihren Worten gefolgt war, fühlte sich Maris abgespannt und müde. Sie hatte getan, was sie tun konnte. Sie hatte alles gesagt. Jetzt wartete sie.
    Evan legte einen Arm um sie. Aus einem Augenwinkel heraus sah Maris, daß sich Colls aufgeplatzte Lippe um ein sanftes Lächeln bemühte. Plötzlich fühlte sie sich wieder auf der Höhe. Was immer jetzt geschehen würde, sie hatte ihr bestes gegeben. Sie fühlte sich, als wäre sie gerade von einem langen, langen Flug zurückgekehrt. Ihre Glieder schmerzten und zitterten, sie fror.
    Aber sie erinnerte sich an den Himmel und an ihre Flügel, und das war genug. Sie war zufrieden.
    „Bedingungen“, sagte der Landmann. Seine Stimme klang verbittert und böse. Er erhob sich aus seinem Sessel und hielt das blutverschmierte Messer in der Hand. „Ich werde dir Bedingungen stellen“, sagte er. Mit dem Messer zeigte er auf Evan. „Ergreift den alten Mann und schlagt ihm die Hände ab“, befahl er. „Dann schmeißt ihn heraus und laßt ihn sich selbst heilen. Das wird ein Zeichen setzen.“ Er lachte und zeigte mit dem Messer auf Coll. „Der Sänger soll seine Zunge und eine Hand verlieren.“ Wieder bewegte er das Messer. „Und nun zu dir“, sagte er und deutete mit dem Messer auf Maris, „da dir die Farbe Schwarz so gut gefällt, sollst du genug davon bekommen. Ich werde dich in eine Zelle ohne Fenster und Licht werfen lassen, wo die Tage ebenso schwarz sind wie die Nächte. Du wirst so lange darin bleiben, bis du vergessen hast, was Sonnenlicht ist. Na, wie gefallen dir meine Bedingungen, Fliegerin?“
    Maris fühlte, daß sich Tränen in ihren Augen sammelten, aber sie riß sich zusammen. „Deine Leute tun mir leid“, sagte sie leise. „Sie können nichts dafür.“
    „Ergreift sie“, sagte der Landmann, „und tut, wie ich befohlen habe!“
    Die Landwachen blickten sich an. Einer von ihnen machte einen zögernden Schritt vorwärts, hielt aber inne, als er merkte, daß er allein war.
    „Worauf wartet ihr noch?“ schrie der Landmann. „Faßt sie!“
    „Herr“, sagte eine große Frau in der stattlichen Uniform eines höheren Offiziers, „ich bitte dich, nochmal zu überlegen. Wir können weder einen Sänger verstümmeln, noch können wir Maris von Klein Amberly einsperren. Das wäre unser Ende. Die Flieger würden uns vernichten.“
    Der Landmann sah die Frau an und deutete dann ebenfalls mit dem Messer auf sie. „Auch du wirst eingesperrt, Verräterin. Da du sie so magst, bekommst du die Zelle neben ihr.“ Zu den restlichen Landwachen sagte er: „Ergreift sie.“
    Niemand bewegte sich.
    „Verräter“, schimpfte er, „ich bin von Verrätern umgeben. Ihr werdet alle sterben, ihr alle.“ Er sah Maris an. „Und du wirst die erste sein. Ich werde es selbst tun.“
    Voller Besorgnis sah Maris das Messer in seiner Hand, den bronzenen Schaft und die blutverschmierte Klinge. Sie spürte Evans Abgespanntheit. Der Landmann lächelte und kam auf sie zu. „Haltet ihn auf“, sagte die große Frau, die er einsperren lassen wollte. Ihre Stimme war leise aber bestimmt. Sofort war der Landmann von seinen Wachen umgeben. Ein Bär von einem Mann hielt seinen Arm fest, und eine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher