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Keltengrab: Thriller (German Edition)

Keltengrab: Thriller (German Edition)

Titel: Keltengrab: Thriller (German Edition)
Autoren: Patrick Dunne
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auf. Sie war keinesfalls aus den Angeln gefallen, weil sie alt und morsch gewesen wäre. Sie war vielmehr zersplittert, als hätte hier oben vor kurzem ein Kampf getobt.
    In diesem Augenblick fürchtete ich das Schlimmste für Gallagher.
    Ich sank auf die Steinplatten und lehnte mich an die Umrandung. Der Himmel hinter den Hügeln wurde heller, das Marienblau wurde gelüpft und enthüllte einen elfenbeinfarbenen Unterrock mit einem Stich ins Rosafarbene. Es war nach acht Uhr.
    Ich stand wieder auf und bemerkte, dass sich der Nebel rund um das Kloster gelichtet hatte. Eine blaugraue Wolke hing noch an den Ufern des Flusses und zeichnete seinen Verlauf nach. Und nun sah ich Newgrange, das soeben aus dem Nebel getaucht war und wie eine fliegende Untertasse über ihm schwebte.
    Hinter mir begann der Himmel zu leuchten. Vereinzelte Wolken, die wie lang gezogene Wattebäusche aussahen, waren pink untermalt. Die Sonne war kurz davor, über den Hügelkamm zu steigen und das Tal zu erhellen. Auf der anderen Flussseite nahm Newgrange im wechselnden Licht bereits einen wärmeren Ton an. Ich schaute wieder auf die Uhr. 8.57 Uhr. Bäume auf dem Hügelkamm ragten nackt in den Himmel, als die Feuerkugel hinter ihnen aufstieg.
    8.58 Uhr. Die Sonne war über den Kamm. Ich sah nach Newgrange hinüber, wo sich ein außergewöhnlicher Anblick bot – ein Lichtstrahl schoss aus der Kammer und drang durch den Dunst wie ein biblischer Finger Gottes, ein Leuchten und Glühen vom Grabhügel bis hinab zum Boyne.
    In der Ferne hörte ich ein Geräusch wie Theaterdonner, ein metallisches Grollen und Rumpeln. Dann begann das Licht am Eingang zu Newgrange zu schimmern, es feuerte goldene Strahlen ab wie einen Schauer von Pfeilen, der die entgegenkommenden Strahlen über der Wasseroberfläche abfing. Spiegelungen vom Fluss trugen nun zu einem Gitterwerk aus Licht über dem Boyne bei. Und dazwischen stieg der verdunstende Nebel in Spiralen vom Wasser auf wie Seelen auf ihrem Weg zum Himmel.
    Und dann begannen Gestalten aus dem Grab aufzutauchen. Erst waren sie wie undeutliche Krümmungen der Luft, hervorgerufen durch das Licht am Eingang; dann materialisierten sie sich zu Kapuzen tragenden Mönchen; und dann sah ich, im Freien vor dem Grabhügel, verschleierte Mitglieder des Schwesternordens im Kreis gehen.
    Mir war, als wäre ich mit einer Zeitmaschine in die Vergangenheit zurückgereist. Hatte es so vor tausend Jahren ausgesehen? Hatte der Orden irgendwie die Riten der Graberbauer geerbt und inszenierte sie nach, wie er es über die Jahrhunderte getan hatte – nicht am Tag der Sonnenwende, sondern, um die Blasphemie zu steigern, zu Weihnachten? »Es funktioniert am Weihnachtstag immer noch, oder?«, hatte mich Sam Sakamoto gefragt, und seine Worte nahmen nun einen düsteren Nachhall an.
    Es war nichtsdestoweniger ein beeindruckendes Schauspiel. Dann fiel mir etwas ein: Wenn die »Nonnen« wie Schauspieler in einem Stück auf die Bühne kamen, wie waren sie dann überhaupt in ihr »Theater« gelangt? Wohl kaum durch den Haupteingang.
    Sie standen still und hoben, mit dem Gesicht zur Sonne, die Arme zu einer Geste des Grußes. Bei all dem Gleißen um sie herum war schwer auszumachen, wie viele es waren. Das metallische Hämmern schien einen Höhepunkt zu erreichen. Dann ließ es allmählich nach, aber meine Ohren fingen ein anderes Geräusch auf, das regelmäßig klang wie das Motorengeräusch eines weit entfernten Bootes, das man unter Wasser hört: Trommeln. Die Nonnen begannen, sich im Takt dazu zu bewegen. Und es gab noch ein Geräusch, ebenfalls regelmäßig. Eine Art Pfeifen. Es kam von hinter mir. Ich drehte mich um.
    Ein Mann in einem weißen Gewand stand im Halbdunkel des Eingangs. Er trug keine Kopfbedeckung, lange verfilzte Haarsträhnen fielen ihm bis auf die Schulter. Als er ins Licht trat, sah ich, dass die massive Wölbung seiner Stirn sich wie ein Helm mit einem langen Nasenschutz über sein Gesicht hinab ausdehnte und seine Augen in eine seitliche Stellung zwang. Unterhalb dieses knöchernen Helms war sein Mund gabelförmig geteilt, eine Speichel absondernde Wunde aus verstümmelten Lippen und Zahnfleisch, die vier Reihen entblößter Zähne sehen ließ.
    Der Hundemensch bellte und warf sich auf mich. Ich schlug mit dem Hinterkopf an einer der Turmzinnen auf. Das Letzte, was ich sah, ehe es dunkel um mich wurde, war, wie er sich über mich beugte und Speichel von seiner überlangen Zunge tropfte.
    Doch mein letzter Gedanke hatte
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