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Keltenfluch

Keltenfluch

Titel: Keltenfluch
Autoren: Jason Dark
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dann war die Pyramide ein kleines Wunderwerk. Ihre Erbauer hatten die Körper tatsächlich so hart und sicher ineinander verschlungen, dass nichts kippte oder wackelte und ich immer wieder Halt bekam, egal, wo ich auch hinfasste. Bill begleitete meine Kletterei indirekt, denn er leuchtete mir mit meiner kleinen Lampe den Weg.
    Vor meinen Augen sah ich immer wieder die schrecklichen Gestalten, die manchmal blanken Totenschädel, und einen Moment später wieder welche, an denen noch das Fleisch hing oder stumpfe Haare unter irgendwelchen Helmen hervorschauten. Bei manchen Gesichtern fehlten die Augen. In einigen waren sie noch vorhanden. Da schimmerten sie wie Schnecken, die sich zusammengerollt hatten.
    Ich wollte nicht darüber nachdenken, wo ich mich eigentlich bewegte, aber es war verdammt schwer, diesen Gedanken zu verbannen. So kämpfte ich mich höher und höher, suchte immer wieder im Inneren der Leichenpyramide einen festen Halt, den ich auch fand.
    Woher kamen die Stimmen? Das Jammern war geblieben. Es begleitete mich auf meiner makabren Kletterei. Ich wusste Bescheid. Ich musste höher, vielleicht bis hinein in die Spitze, denn nur dort konnte die Pyramide noch weitergebaut werden. Tiefer war kein Platz mehr.
    Von Luft holen wollte ich nicht reden. Zwar merkte ich hin und wieder den Wind, aber er wurde auch von der immer dichter werdenden Umgebung abgehalten, so dass der Verwesungsgestank überhand nahm.
    Der Schweiß rann mir übers Gesicht. Ich hörte mich keuchen. Die Temperatur nahm hier oben zu.
    Weiterhin war die Umgebung mehr als ein Alptraum. Ich schaute nie näher hin, was mir alles geboten wurde. Es war einfach zu schlimm und unaussprechlich.
    Der Kampf ging weiter. Stück für Stück. Zentimeterweise. Immer höher, immer tiefer hinein in diese Dichte. Grässliche Gesichter. Totenschädel, Hände, die mir wie krumme Hühnerkrallen entgegenhingen und mich manchmal berührten, wobei sie auch mein Gesicht nicht ausließen und mit ihren spitzen Fingern darüber hinwegkratzten.
    Mit der linken Hand griff ich in eine Lücke hinein, in der auch sehr bald mein leicht gekrümmter Arm verschwand. Ich konnte ihn dort um eine starre Gestalt legen und mich einigermaßen festklammern.
    Die Pause brauchte ich einfach. Zudem wollte ich herausfinden, ob ich nicht schon weit genug geklettert war.
    Ich hing praktisch seitlich an den ineinander verschlungenen Körpern herab und hatte es auch geschafft, mich mit einem Fuß abzustützen. In der rechten Hand hielt ich die Lampe, die ich dann drehte, um weiter nach oben zu leuchten.
    Knochen! Manche dunkel. Andere heller. Totenschädel. Gebeine, die ineinander verschlungen waren und auch von verschiedenen Seiten aufeinander zu liefen, damit sie eine Spitze bilden konnten. Immerhin war ich schon so hoch geklettert, um das Ende der Pyramide sehen zu können.
    »Hast du was entdeckt, John?« Bills Frage klang, als wäre sie in einer Höhle gestellt worden. So rauh und dumpf.
    »Nein, noch nicht.«
    »Vielleicht haben wir uns geirrt…«
    Darauf wollte ich nicht setzen. Ich machte mich nicht an den Rückweg, sondern ließ den Lichtkegel wandern. Dieses Jammern hatte ich mir nicht eingebildet, auch wenn es momentan nicht mehr zu hören war.
    Körper, Knochen, Schädel. Hautstücke, Kleidungsfetzen, es war immer wieder das gleiche.
    Bis auf einen Punkt oder eine Stelle. Schräg über mir und von unten nach oben schauend traf der breite Lampenstrahl ein Gesicht. Ich hatte die Frau bisher nie gesehen und nur von ihr gehört. Auch jetzt stellte ich fest, wie schön sie trotz der geschlossenen Augen aussah. Sie war bleich, und sie war tot, denn um ihren Hals lag eine dünne Schlinge, die sich tief in die Haut hineingedrückt hatte.
    Der Götze musste es im letzten Augenblick geschafft haben, seine Feindin zu töten.
    Es gab noch den Mann. Ich hatte wieder Hoffnung bekommen und drehte meine Hand mit der Lampe ein wenig nach links.
    Es war genau die richtige Richtung, denn aus einer Lücke zwischen den verschlungenen Leibern der Toten hervor schaute mir das Gesicht entgegen.
    Es gehörte einem Mann mit dunklen Haaren. Es war der Prinz oder eine ähnliche Gestalt. Ich musste mich schon auf das verlassen, was mir Cella berichtet hatte.
    Es gab einen gravierenden und für mich wichtigen Unterschied zwischen den beiden. Der Mann lebte.
    Er schien nur auf mich gewartet zu haben, denn als ich ihn anleuchtete, zuckte sein Mund. Ich hörte sein Stöhnen, und auch der Blick klärte sich
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