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Keiner wie er (German Edition)

Keiner wie er (German Edition)

Titel: Keiner wie er (German Edition)
Autoren: Kera Jung
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*
    Geduldig wartet sie, bis er sicher schlief und betrachtete selbst dann noch minutenlang sein Gesicht, blies ihn sogar behutsam an.
    Als er auch darauf nicht reagierte, stand Tina auf und trat an den Schreibtisch. Der Block mit dem Logo des Hotels lag dort, wo er auch in ihrem Zimmer zu finden war. Ebenso wie der nicht sehr kostspielige Füllfederhalter.
    Nach getaner Arbeit tappte sie zur Tür und suchte mit einiger Mühe ihre verstreuten Sachen zusammen. Es gelang ihr sogar, sich leise anzukleiden, bevor sie Mantel und Tasche nahm und ging.
    Achtsam schloss sie die Tür und lief mit erhobenem Kopf den Flur entlang. Ihr Zimmer lag auf der gleichen Ebene, nur am entgegengesetztem Ende. Der Flieger ging in drei Stunden. Sollte er tatsächlich nach ihr suchen, was sie ernsthaft bezweifelte, würde sie lange fort sein.
    Als Tina ihr Zimmer betrat, schaltete sie kein Licht ein, sondern ging direkt ins Bad und begab sich vor das Waschbecken.
    Große Augen blickten ihr entgegen, welche dringend abgeschminkt und neu getuscht werden mussten. Wie in Trance griff sie nach Zahnbürste und -creme.
    Automatisierte Handlungen bedurften keiner vorherigen Überlegung.
    Bevor beides jedoch zum Einsatz kommen konnte, lösten sich plötzlich ihre klammen Hände, und die Utensilien fielen polternd in das Porzellanbecken. Halt suchend packte Tina dessen Rand, das Atmen fiel mit einem Mal so unglaublich schwer. Als würden zehntausend Tonnen auf ihren Lungen lasten. Ein trockenes Schluchzen erschütterte ihren Körper, das nächste lauerte bereits in der Warteposition. Verzweifelt kniff sie die Lider zusammen, senkte den Kopf, versuchte mit aller Macht, zu sich zu kommen, nicht nachzugeben – nicht zu verlieren!
    Vergebens.
    Eine zitterte Hand stützte ihre Stirn und sie bemühte sich, tief und gleichmäßig Luft zu holen.
    Mit hektischem, lautem, bebendem Atem stand sie über das Waschbecken gebeugt. Keine Tränen – Tina weinte aus Überzeugung nicht mehr. Möglicherweise waren die verantwortlichen Drüsen bereits vor Jahren eingetrocknet. Aber alle anderen Symptome stellten sich ein, und mit einem Mal hasste sie diesen Mann mit jeder Faser ihres Seins. So glühend leidenschaftlich, wie er kurz zuvor gewesen war, aus Gründen, die ihr noch immer nicht in den Kopf wollten. Wieder hatte er es geschafft ...
    Nein!
    Unvermittelt hob sie den Kopf und fixierte ihr Spiegelbild.
    Das würde sie nicht zulassen! Niemals!
    Eilig schüttete sie sich jede Menge kaltes Wasser ins Gesicht, nahm kurz darauf eine kalte Dusche, die half im Zweifelsfall immer. Dann putzte sie die Zähne, föhnte ihr Haar und checkte kurz darauf perfekt gekleidet, mit frischem Make-up und keinem Lächeln für den Nachtconférencier aus – zu alt, zu unbedeutend, zu hässlich.
    Keine zwei Stunden später saß sie im Flieger nach Waterbury und ließ ihn hinter sich.
    Und diesmal tatsächlich für immer.
    * * *
    Als Daniel wenige Stunden später erwachte, herrschte noch Dunkelheit.
    Sein erster Blick galt dem Kopfkissen neben sich, als Nächstes sah er zum Schreibtisch. Aus seiner Perspektive konnte man unmöglich erkennen, ob auf dem Block eine Veränderung eingetreten war. Daher sprang er aus dem Bett, überwand die Distanz mit drei Schritten und wurde natürlich fündig.
     
    Bisher blieb mir nie Gelegenheit, dir für deinen Privatunterricht zu danken.
    Er erwies sich sogar als extrem hilfreich.
    Hoffentlich gestaltet sich das Ergebnis nach deinem Geschmack und du bist stolz auf dich.
    Lebe wohl.
    Tina

7.
     
    Nie zuvor musste Daniel ähnliche Gedanken bemühen, doch es gab tatsächlich Personen, die eigentlich nicht existierten.
    Jedenfalls nicht mehr.
    Nun, bei näherer Betrachtung, erschien es schon logisch, dass ein Obdachloser nicht unbedingt leicht zu finden war. Jene alternativen Aussteiger, die sich von der Gesellschaft lossagten, um in irgendeiner Sekte vor sich hin zu sekten, würden wohl auch nicht in den gängigen Melderegistern auftauchen.
    Aber wie eine erfolgreiche junge Frau nicht existent sein konnte, wollte ihm nicht in den Kopf.
    Es gab keine Christina Hunt.
    Nirgendwo wohnte sie, kein Auto lief auf ihren Namen, kein Arbeitgeber beschäftigte sie. Ihre Steuern wurden bezahlt, so viel ermittelte Daniel nach zwei Wochen schweißtreibender Recherche.
    Die entsprechenden Bescheide sandte die Finanzbehörde jedoch an ein Postfach. Dies schien ihre einzige Adresse zu sein.
    Je länger Daniel suchte, desto häufiger stellte er sich die verzweifelte Frage,
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