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Kein Paar wie wir

Titel: Kein Paar wie wir
Autoren: Eberhard Rathgeb
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ist, weil du neugierig bist.
    »Trieb dich die Neugier?«, fragte Vika.
    In ihren Ohren mögen meine Fragen wie ein Verhör klingen, dachte sie. Aber ich verhöre sie nicht. Sie soll mir nur erklären, wie es dazu kommen konnte, dass sie sich einem Mann hingab, was sie sich davon erhoffte, dabei dachte und fühlte und was diese Nacht für sie bedeutet und für uns.
    »Wahrscheinlich war ich auch neugierig«, sagte Ruth.
    Wäre das so unnatürlich?, dachte sie. Aber warum fragst du mich? Du möchtest doch selbst nicht mit einem Mann ins Bett gehen. Du willst nur von mir wissen, wie es war.
    »Kanntest du ihn gut?«
    »Nein, ich kannte ihn nicht gut.«
    »Das hätte ich nicht gemacht«, sagte Vika. Der Satz schnellte aus ihr heraus.
    Wie konnte sie so unvorsichtig sein und mit einem wildfremden Mann anbändeln, dachte sie. Wohin ist sie mit ihm gegangen? Zu ihm oder zu sich? Haben sie sich ein Zimmer in einem Hotel genommen?
    Ruth zog die Augenbrauen hoch und schaute Vika fragend an. Sie mochte sich von ihrer kleinen Schwester keine Vorwürfe machen lassen, sie mochte nicht mit ihr über Sex reden.
    »Es ergab sich von selbst«, sagte sie. »Nicht alles lässt sich planen, vorausberechnen. Ich dachte, besser ein Fremder als einer meiner Geschäftspartner. Findest du nicht auch? Nur für eine Nacht, um auszuprobieren, wie es ist. Das ist doch nicht zu viel investiert. Ich schickte ihn danach sofort nach Hause, und er ging ohne Widerrede. Ich wollte nicht mit ihm in meinem Bett aufwachen. Ich sagte ihm, dass es schön gewesen sei, aber dass ich müde sei und morgen sehr früh aufstehen müsste, und er nickte und verschwand. Ich glaube, er war froh, dass er gehen konnte. Mehr ist nicht passiert.«
    Vika stutzte.
    »Du musst es doch gewollt haben«, sagte sie.
    »Was muss ich gewollt haben?«
    »Mit ihm ins Bett zu gehen«, sagte Vika.
    Was soll das heißen, es ergab sich von selbst?, dachte sie. Entweder man will etwas, oder man will es nicht. Alle anderen Erklärungen sind Ausreden.
    »Er wollte mit mir ins Bett, und ich wollte mit ihm ins Bett«, räumte Ruth ein. »Mehr kann ich dir darüber nicht sagen. Ich war neugierig, und jetzt ist meine Neugier gestillt. Probiere es selbst aus. Aber mache dir nicht zu viele Hoffnungen. Wir zwei sind nicht für die Liebe der Männer gemacht. Der Preis, den wir dafür zahlen müssten, ist zu hoch. Entweder wir werden zu Ehefrauen oder wir werden zu Geliebten gemacht, zu einer Frau an der Seite eines Mannes oder zu einer Frau mit vielen Männern. Wir sollten unsere Freiheit und unsere Würde hingeben für einige Minuten im Bett? Wir haben andere Vorstellungen vom Leben als Frau, wir waren und sind ein besonderes Paar. Zwei Frauen wie uns finden sich nicht oft. Oder siehst du hier ein Pärchen, das uns gleicht?«
    Mehr wollte Vika nicht hören.
    »Wenn ich dich alleine lasse …«, sagte sie und lächelte ihrer Schwester zu, und Ruth warf ihr das Lächeln zurück.
    Nichts, niemand wird sich zwischen uns stellen, dachten sie. Lass uns über etwas anderes reden. Wir sind hier, um Geburtstag zu feiern.
    Ruth öffnete die Handtasche und zog ein Päckchen heraus, das in dunkelblaues Papier eingeschlagen war. Sie reichte es Vika.
    »Herzlichen Glückwunsch«, sagte sie feierlich.
    »Was ist das?«
    »Schau nach.«
    Solche Geschenke machen Männer ihren Frauen, dachte Ruth. Sie sitzen in Restaurants an einem Tisch, lächeln sich zu, und dann zieht der Mann aus der Innentasche seines Jackets ein schmales Päckchen und überreicht es seiner Geliebten.
    »Gefällt sie dir?«, fragte sie.
    »Sie ist sehr schön«, sagte Vika. »Du verwöhnst mich.«
    »Sie steht dir gut.«
    »Gestellt und aufgezogen. Sie passt perfekt zu mir.«
    »Perfekt.«
    Sie ließen ihre freudetrunkenen Blicke über die Nachbartische schweifen.
    »Ein nobles Restaurant«, sagte Vika.
    »Wir feiern deinen Geburtstag.«
    »Im Grunde ist es viel zu teuer für uns«, sagte Vika. »Wir können es uns gar nicht leisten.«
    »Ich verdiene gut, und du verdienst gut.«
    »Du hast recht. Wir haben es geschafft.«
    Sie lachten.
    »Siehst du all die schönen Frauen?«, fragte Ruth.
    »Du bist die Schönste.«
    »Hör auf.«
    »Es ist die Wahrheit.«
    »Nachher müssen sie für den Abend bezahlen«, sagte Ruth.
    Sie müssen sich ausziehen und sich von den Männern berühren lassen, dachte sie.
    »Alle?«, fragte Vika und schaute in die Runde.
    »Wenn sie nicht heute für den Abend bezahlen, dann morgen oder übermorgen. Manchmal denke
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