Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein Applaus Für Podmanitzki - Satirisches

Kein Applaus Für Podmanitzki - Satirisches

Titel: Kein Applaus Für Podmanitzki - Satirisches
Autoren: Ephraim Kishon
Vom Netzwerk:
heran, litt an chronischer Appetitlosigkeit, starrte aus großen blauen Kinderaugen ins Leere - «
    »Hören Sie, Podmanitzki -«
    »Ich bin fertig. Und Salzmann ist sowieso schon längst weggegangen. Aber jetzt verstehen Sie die Worte, die er an Katharina Nikolajewna richtet. Wie schade, Madame, wie schade. Geht links ab. Wem gilt sein Bedauern? Der Frau? Dem Zug? >Was ist ein Zug?< hat Stanislawski mich einmal gefragt. Nein. In diesem einen Satz liegt sein ganzes Mitleid mit der Kreatur, liegt alles Aufbegehren gegen die Tyrannis des Schicksals. Warten Sie, ich spiele Ihnen die Szene vor...«
    Jarden Podmanitzki stand auf, trat ein paar Schritte zurück, zerraufte sein Haar, ließ sich plötzlich zu Boden fallen und begann auf allen vieren zu kriechen. Ich nützte die unverhoffte Chance und sprang mit kühnem Satz über ihn hinweg. Sofort nahm er die Verfolgung auf, aber diesmal half ihm nichts. Im zweiten Stock eines nahegelegenen Hauses fand ich Asyl bei einer barmherzigen Familie.

Mittelweg ohne Gold
     
    Es kann nicht länger geleugnet werden: Jarden Podmanitzki ist keiner von den Giganten des zeitgenössischen Theaters. Anderseits ist er auch nicht direkt schlecht. Er ist - und etwas ähnlich Beklagenswertes gibt es nicht - ein mittelmäßiger Schauspieler. Er hat das Gehabe und die Ambitionen eines Stars, ohne sein angeborenes Glück, ohne das dazugehörige Talent. Ich setze »Glück« an die erste Stelle, weil man mit Talent allein noch kein Star wird. Mit Glück ohne Talent kann man es werden.
    Podmanitzki hat sich seine eigene Privatwelt aufgebaut, eine Art freiwilliges Ghetto. Dort lebt er mit seinem Genius und den wenigen Bekannten, die sich auf der Straße von ihm aufhalten lassen.
    Er spielt nicht immer kleine Rollen. Manchmal spielt er auch große, allerdings nur auf kleinen Bühnen. Am Nationaltheater, wo er ständig engagiert ist, besetzt man ihn mit dem zweiten zornigen Volkstribun oder mit einem historisch nicht näher definierten Regionalfürsten oder mit einem Regimentstrompeter, der atemlos auf die Bühne stürzt, um zu melden, daß die Schlacht verloren ist und der Feind sich im Anmarsch auf Rom befindet. Daraufhin packt ihn Eleasar G. Bulitzer, der Kaiser, am Kragen, schüttelt ihn und brüllt:
    »Solch eine Botschaft wagst du mir zu bringen, du Hund? Wache! Führt ihn hinaus und schlagt ihm den Kopf ab!«
    Nacht für Nacht wird Podmanitzki am Ende des ersten Aktes hingerichtet und muß dann in einem nahegelegenen Kaffeehaus zwei Stunden auf den Schlußvorhang warten, um sich endlich verbeugen zu können. Er verbeugt sich in der dritten Reihe, zusammen mit der ganzen Prätorianergarde, elf Jammergestalten insgesamt. Seit fünfunddreißig Jahren steht Jarden Podmanitzki auf der Bühne. Aber er hat sie noch nie allein für sich gehabt.
    In seinem Herzen weiß er längst, daß er ein mittelmäßiger Schauspieler ist. Dafür gibt es untrügliche Merkmale. Vor allem die Gage. Podmanitzki bezieht einschließlich aller Zuschläge im Monat ungefähr die Hälfte dessen, was Seine Kaiserliche Hoheit Eleasar G. Bulitzer in der Woche bezieht.
    Aber das Geld ist ja nicht das Entscheidende. Worunter Podmanitzki wirklich leidet, sind die Striche. Selbst in den wenigen Zeilen, aus denen sein Text besteht, findet sich immer noch etwas zum Streichen. Manchmal ist es der ganze Text.
     

Über das Streichen von Textzeilen
     
    Es gilt, zuerst den Begriff »Zeile« zu definieren. Der Schauspieler hat, wie man weiß, bestimmte Sätze zu sprechen, die im Bühnenmanuskript enthalten sind und deren Gesamtheit seinen »Text« ausmacht. Im gleichen Augenblick, in dem der Regisseur aus irgendwelchen Gründen entscheidet, einen bestimmten Satz aus dem Text des Schauspielers zu streichen, zeigt sich, daß die ganze Rolle mit diesem einen Satz steht und fällt. Infolgedessen kämpft der Schauspieler mit allen Mitteln gegen das Recht der Regisseure, Änderungen im Text vorzunehmen.
    Dauer und Heftigkeit dieses Kampfs richten sich nach dem Rang des betreffenden Schauspielers und nach der Kritik, die Kunstetter über den Regisseur geschrieben hat. Als beispielsweise aus dem Text des Schauspielers Jarden Podmanitzki ein Satz gestrichen wurde - und zwar der eine Satz, der nicht nur für die Rolle, sondern für das ganze Stück entscheidend war -, ging es folgendermaßen zu:
    REGISSEUR: »Halt! Podmanitzki, den Satz mit dem Zug und der Madame brauchen wir nicht. Er fällt weg. Verstanden?«
    PODMANITZKI: »Jawohl. Ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher