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Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Titel: Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela
Autoren: Sabine Dankbar
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ich das Ansinnen Gu’s auch nicht sofort zurück. Er machte den Vorschlag zwei Wochen vor Ende der Reise dazu zu stoßen und den Rest des Pilgerweges bis nach Santiago mit mir zu gehen, da er nur zwei Wochen Urlaub nehmen konnte. Wir überlegten und diskutierten. Irgendwann fasste ich mir ein Herz und sagte ihm, dass ich es besser finden würde, wenn er mich am Anfang begleiten würde. Meine nicht uneigennützigen Gründe verschwieg ich ihm nicht: »Gerade der Beginn der Reise wird für mich nicht einfach sein. Noch nie bin ich mit Rucksack gewandert, seit Jahren bin ich Komfort auf meinen Reisen gewohnt. Und dann bin ich doch in bestimmten Situationen auch ein Angsthase, allein im Dunklen zum Beispiel. Mich macht auch dieser ganz andere Tagesablauf nervös, was, wenn ich es nicht schaffe. Ich finde es schön, wenn du mich die ersten Tage begleitest und ich dann alleine weitergehe. Ich glaube, das ist für mich besser.« Ein Stück weit noch Begleitung, eine Brücke zwischen dem alten Weg und dem neuen Weg, so dachte ich mir, das könnte Gu als Reisebegleitung für mich sein. Er reagierte mit Verständnis, nahm mich liebevoll in den Arm und versprach mir: »Ich bin die ersten Tage gerne dein Beschützer. Ich glaube zwar, dass du mich dazu nicht brauchst. Du schaffst das auch allein.«
    Wir beschlossen, eine Probewanderung im Sauerland durchzuführen. Diese war in erster Linie für mich gedacht. Gu war ein erfahrener Wanderer und Kletterer. Ich wollte ein Gefühl für das bekommen, was vor mir lag. Außerdem hatte Gu einen zweiten Rucksack, den ich zwecks Tragekomforts ausprobieren wollte. Ostersonntag machten wir uns auf den Weg. Der Rothaarsteig, man nennt ihn auch den Weg der Sinne, war unser Ziel. In Olsberg stellten wir unser Auto ab. Unser Tagesziel war Willingen, wir wollten ca. 15 Kilometer zurücklegen. Wie sich herausstellte, hatten wir uns ein Osterwochenende ausgesucht, das von Nieselregen, kaltem Ostwind bis hin zu Schneeregen alles für uns bereithielt. In den höheren Lagen waren sogar noch Schneefelder vorhanden. Da ich keine Wanderausrüstung besaß, hatte ich mir kurz vorher eine warme Goretex-Hose sowie eine wasserabweisende Regenjacke zugelegt, ansonsten versuchte ich mit Skiunterwäsche, Sportklamotten und meinen Winterthermostiefeln klarzukommen. Diese kleinen Unzulänglichkeiten und der für mich völlig ungewohnte Rucksack, der zudem in keiner Gurteinstellung zu meinem Rücken passen wollte, beeinträchtigten meine gute Laune nicht. Die Wanderung war wunderschön. Wegen des schlechten Wetters begegneten wir so gut wie keiner Menschenseele, wir hatten die Wälder für uns allein. Der Wind rauschte mächtig durch die Tannen und das leere Geäst der Laubbäume. Der aufgeweichte, schlammige Boden gab unsere Schritte leise schmatzend wieder, ab und zu fiel ein Tannenzapfen zu Boden und durchbrach damit die Stille. Ja, wir waren still. Gu und ich genossen das selbstverständliche Nebeneinander, schauten uns nur hin und wieder beim Gehen an. Es war eine besondere Atmosphäre, Reden hätte nur gestört. Ganz zu Beginn unserer Wanderung führte unser Weg zur Borbergskapelle. Bis dorthin verläuft ein Kreuzweg, dessen waren wir uns vorher nicht bewusst, um so mehr freuten wir uns darüber. Es war eine meditative und besinnliche Wegstrecke, die uns beide an den vor uns liegenden Jakobsweg erinnerte. Oben angekommen machten wir eine kleine Frühstücksrast und erfreuten uns des schönen Kirchplatzes, die kleine Kapelle war leider geschlossen. Eine Familie, die dort oben ihren Osterspaziergang mit einer Eiersuche verband, schenkte uns zwei Schokoladeneier als Wegzehrung. Es war, als wenn das Pilgern schon jetzt an diesem Osterwochenende unsere Herzen auf besondere Weise erfasste. Wir passierten später die Feuereiche, übten uns an der Ginsterkopf-Klettervari-ante, kamen an den Bruchhauser Steinen vorbei und bogen am Richtplatz Richtung Willingen ab. Wir waren um 11 Uhr in Olsberg gestartet und erreichten mit einigen Pausen gegen 16 Uhr Willingen. Meinen Körper fühlte ich mit jeder Muskelfaser, alles tat mir weh, der Rucksack lag wie Blei auf meinem Rücken. Ich sehnte mich nach einer heißen Dusche für meine müden, kalten und muskelverzerrten Glieder. Ich wähnte das von uns vorbestellte Pensionszimmer schon in unmittelbarer Nähe und sah mich von meinen körperlichen Leiden schon erlöst, als wir feststellen mussten, dass Gu in einem Vorort von Willingen das besagte Zimmer reserviert hatte. Der
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