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Kapitaen Bykow

Kapitaen Bykow

Titel: Kapitaen Bykow
Autoren: Boris Strugatzki
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Praktikant«, das darf man nicht ändern, nichts da, auf gar keinen Fall, nicht dran zu denken! »Aber einen Buchstaben, einen einzigen Buchstaben kann man ändern?« [4] »Na ja ... wenn’s nur einer ist ... das könnte gehen ...« Im Ergebnis erschienen die Praktikanten , ein Roman über die Praktikanten der Zukunft – Bykow, Shilin, Jurkowski und wie sie alle heißen.
    ›Venus. Die Relikte‹ ist ein übrig gebliebenes Kapitel aus den Praktikanten . Arkadi schrieb es, wie ich mich entsinne, hauptsächlich, um emotional und handlungsmäßig eine Brücke vom Atomvulkan Golkonda zu unserem neuen Roman zu spannen. Doch zu diesem Zeitpunkt war der Handlungsablauf schon endgültig festgelegt, und für das neue Kapitel fand sich kein Platz. Seine grundlegenden Ideen (wenn man das Ideen nennen kann) fanden Eingang ins Kapitel ›Bamberga. Die da arm sind im Geiste‹.
    Als sie die Praktikanten zu Ende brachten, ahnten die Autoren noch nicht, dass ihr Interesse für Raumfahrt als wichtigste Beschäftigung für die Menschen der nahen Zukunft schon endgültig erschöpft war und dass sie nicht mehr auf dieses Thema zurückkommen würden. »Das Wichtige ist auf der Erde« – diese Losung hatten sie ihrem Helden in den Mund gelegt, noch ohne zu ahnen, dass es fortan ihre eigene Losung sein würde – heute, morgen und in Ewigkeit, amen!
    Ein seltsames, ein Übergangswerk. Eine Zeitlang liebten wir es sehr und waren sogar stolz darauf – es erschien uns als ein neuer Ton in der Science Fiction, und in gewissem Sinne war es das auch. Doch sehr bald wuchsen wir darüber hinaus. Vieles von dem, was wir zu Beginn der sechziger Jahre für offensichtlich hielten, hörte auf, offensichtlich zu sein. Offensichtlich wurde etwas Gegenteiliges.
    Nie werde ich eine Episode vergessen, die mit den Praktikanten zusammenhängt. Eine der beschämendsten Erinnerungen meiner Jugendzeit. Ich hatte einmal eine Lesung in einer Schulbibliothek. (Es war kurz nach Erscheinen der Praktikanten , höchstwahrscheinlich im Winter 62/63.) Anfangs lief alles wie gewohnt – glatt und langweilig, doch dann stand irgend so ein Junge auf, vielleicht zwölf, und fragte (das unschuldige Kind): »Warum kommen bei Ihnen im Roman die Arbeiter aus den kapitalistischen Ländern nicht alle in die UdSSR? Bei uns ist es doch gut und bei denen so schlecht?« Das war ein Tiefschlag. Wirklich, warum? Es war klar, warum sie damals nicht zu uns kamen – wozu sollten sie, und wer hätte sie zudem hereingelassen – die Grenze war ja zu. Klar war auch, warum die Kneipenwirte à la Joyce nicht ins Land Shilins und Juri Borodins strebten – was sollten sie im Land des siegreichen Sozialismus anfangen? Aber die Arbeiter! Die Klassenbrüder! Warum? Wie konnten wir dieses offensichtliche Problem verschlafen? ... Ich verstummte ganz unanständig, und dann begann ich irgendwelchen Unsinn zu faseln, an den ich mich, Gott sei Dank, nicht mehr erinnere. Die Lage wurde von der Lehrerin gerettet, die die Lesung leitete. Die erfahrene Pädagogin zuckte mit keiner Wimper: »Boris Natanowitsch will sagen«, teilte sie mit, »dass die Arbeiter der kapitalistischen Länder ihre Heimat lieben und für den Sozialismus bei sich daheim kämpfen wollen.« Boris Natanowitsch murmelte leise etwas in dem Sinne, genau so sei es ja, und der Abend nahm mit Fragen und Antworten ohne weitere unangenehme Stöße und Blessuren seinen Lauf.
    Jede Weltanschauung beruht auf Glauben und auf Tatsachen. Der Glaube ist wichtiger, dafür sind die Tatsachen stärker. Und wenn die Tatsachen anfangen, dem Glauben nach dem Mund zu reden, dann wird es schlimm. Man muss die Weltanschauung ändern. Oder zum Fanatiker werden. Wahlweise. Ich weiß nicht, was einfacher ist, aber ich weiß sehr wohl, was schlechter ist. In den Praktikanten ändern die Strugatzkis ihre Weltanschauung – und gleich danach zerbrechen sie sie. Sie wollten keine Fanatiker werden. Gott sei Dank.
    [3] Die erste Fassung dieses Romans (bekannter ist die spätere unter dem Titel Mittag, 22. Jahrhundert ) schrieben die Strugatzkis vor den Praktikanten , sie spielt aber deutlich später.
    [4] Im Russischen wird aus »Der Praktikant« »Praktikanten« (oder »Die Praktikanten«), indem an das Wort ein Buchstabe als Mehrzahlendung angehängt wird.

Quellen- und Rechtsvermerke
    Der Weg zur Amalthea
    Путь на Амальтею
    Erstveröffentlichung 1960 im gleichnamigen Erzählungsband der Strugatzkis, Verlag Molodaja Gwardija, Moskau. Die deutsche
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